Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Köpfe

Köpfe

Titel: Köpfe
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
kaum erwehren konnte. Anonyme Köpfe, die zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts abgemäht worden waren, für tot erklärt, staatenlos, so ziemlich unter kein Gesetz fallend, ohne Rechte außer dem des Schutzes durch ihr Geld und ihre dem Untergang geweihte Stiftung.
    Die StarTime Konservierungs-Gesellschaft verkaufte in Wirklichkeit eigentlich nichts und niemanden. Sie überführten Mitglieder, bewegliches Eigentum und Verantwortlichkeiten an den MB Sandoval, da die ursprüngliche Gesellschaft von der Auflösung bedroht war; kurz gesagt, sie gingen mit aufgeblähtem Bauch den Bach runter. Konkurs nannte man das früher; schädliche Erschöpfung von Mitteln und Quellen hieß es neuerdings. Schön und gut; sie hatten ihren eingeschriebenen Mitgliedern nur einundsechzig Jahre (inklusive) der liebenden Fürsorge garantiert. Danach waren sie eigentlich aus dem Schneider.
    »Die Gesellschaften, die in den Jahren 2020 und 2030 eingerichtet worden sind, geben jetzt einen Schwund von zwei bis drei Prozent pro Jahr an«, sagte Rhosa1ind. »Doch nur eine einzige hat tatsächlich totes Fleisch beerdigt. Der größte Teil ist von Informations-Unternehmern und Universitäten aufgekauft worden.«
    »Hofft jemand, damit Gewinn zu machen?« fragte ich.
    »Dummes Gerede, Micko«, tadelte sie mich, womit sie meinte, ich sei unfähig, Information in nützliches Wissen umzusetzen. »Das sind nicht einfach Tote, das sind umfangreiche Bibliotheken. Ihre Erinnerungen sind theoretisch intakt, zumindest so intakt, wie es Tod und Verfall erlauben. Man muß vielleicht mit einer fünfprozentigen Einbuße rechnen; wir können natursprachliche Algorithmen zur Überprüfung verwenden und sie auf vielleicht drei Prozent reduzieren.«
    »Dummes Gerede«, sagte ich.
    »Absolut nicht! Das ist der übliche Verschleiß. Deine Erinnerungen an deinen siebten Geburtstag haben ebenfalls eine Einbuße von fünf Prozent erlitten.«
    Ich versuchte, mich an meinen siebten Geburtstag zu erinnern; mir fiel nichts ein. »Warum? Was war an meinem siebten Geburtstag los?«
    »Nicht wichtig, Mickey«, sagte Rho.
    »Und wem liegt etwas an solchen Informationen? Sie sind überholt, es ist dummes Gerede, es wird schwierig sein, ihre Herkunft nachzuweisen… und noch schwieriger, sie auf ihre Genauigkeit hin zu überprüfen.«
    Sie sah mich starr an, die Stirn umwölkt, sichtlich betrübt. »Du willst nicht begreifen, was ich meine, stimmt’s?«
    »Rho, ich bin zuständig für die Finanzen des Projekts. Ich muß blöde Fragen stellen. Welchen Wert haben diese Köpfe für uns, selbst wenn wir ihnen Informationen entnehmen können? Und überhaupt…« Ich hielt die Hände hoch, zum Zeichen, daß ich im Begriff war, mein Hauptargument vorzubringen. »Wenn nun das Entnehmen von Informationen ein unberechtigtes Eindringen darstellt? Wir dürfen diese Köpfe nicht sezieren – du bist in die Verträge eingestiegen.«
    »Ich habe letzte Woche Cailetet von Tampa, Florida, aus angerufen. Sie sagen, daß die Chancen zur Wiederherstellung neuraler Muster und Zustände anhand eingefrorener Köpfe bei etwa achtzig Prozent liegen, und zwar bei Anwendung von Methoden ohne ein Eindringen. Keine Nano-Injektionen. Sie können jedes Molekül in jedem einzelnen Kopf von außen, durch die Container hindurch, punktieren.«
    Wie abwegig Rhos Ideen auch immer sein mochten, sie plante die Dinge stets bis zu einem gewissen Maße durch. Ich neigte den Kopf zur Seite, hob die Hände und gab mich geschlagen. »Na schön«, sagte ich. »Es ist faszinierend. Die Aussichten sind…«
    »Glänzend«, beendete Rho den Satz für mich.
    »Aber wer wird solches historisches Material kaufen?«
    »Es handelt sich hier um einige der größten Geister des zwanzigsten Jahrhunderts«, sagte Rho. »Wir könnten Anteile an zukünftigen Leistungen verkaufen.«
    » Falls sie wiederzubeleben sind.« Wir näherten uns der weißen Linie und der großen Keramikluke, die den Eingang zur Eisgrube bildete. »Gegenwärtig sind sie nicht sehr aktiv und nicht sehr kreativ«, bemerkte ich.
    »Zweifelst du etwa daran, daß wir in der Lage sein werden, sie eines Tages wiederzubeleben? Vielleicht in zehn oder zwanzig Jahren?«
    Ich schüttelte skeptisch den Kopf. »Schon vor einem Jahrhundert hat man von Wiederbelebung gesprochen. Hochleistungs-Nano-Chirurgie reicht nicht aus, um es zu bewerkstelligen. Du kannst eine komplizierte Maschine wie einen Edelstein leuchten lassen, sie so einstellen, daß alles paßt, aber wenn du
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher