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Köpfe

Köpfe

Titel: Köpfe
Autoren: Greg Bear
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ausgezogen, doch den enganliegenden Anzug trug sie noch; sie umarmte mich flüchtig. »Laß uns loslegen!« Sie führte die erste Staplerladung von aufgetürmten Kisten durch das Tor in das Lagergehege der Eisgrube, wo sie fürs erste aufbewahrt werden sollten.

DIE ERSTEN ANZEICHEN von Schwierigkeiten ließen nicht lange auf sich warten. Janis Granger, die Assistentin von Fiona Task-Felder, kam keine sechs Stunden nach dem Abladen der Köpfe zu Besuch.
    Ich hatte es versäumt, Rho über die Ereignisse in der Mondpolitik seit ihrem Aufbruch zur Erde zu unterrichten: Fiona Task-Felder war zur Präsidentin des Multiplen Rats gewählt worden – etwas, das ich vor einem Jahr noch für unmöglich gehalten hätte.
    Janis Granger ersuchte über den Sekretär des MB Sandoval in Port Yin um eine Zusammenkunft. Ich erklärte mich einverstanden, obwohl ich nicht die blasseste Ahnung hatte, um was es ihr ging. Ich konnte wohl kaum ablehnen, mit einer Vertreterin der Ratspräsidentin zu sprechen.
    Ihr privater Bus landete sechs Stunden nach meinem Einverständnis am Landeplatz Drei.
    Ich empfing sie in meinem geräumigen Zweitbüro im Gehege des Farm-Managements.
    Die Granger war siebenundzwanzig, schwarzhaarig mit eurasischen Gesichtszügen und indianischer Haut – alles maßgeschneidert. Sie trug engsitzende lilienblaue Jeans und eine weiße Bluse mit Kräuselkragen, wobei die Kräusel ein wechselndes Muster von zarten geometrischen Figuren in Weiß auf Weiß bildeten. Janis gehörte wie ihre Chefin und ›Schwester‹ dem MB Task-Felder an.
    Task-Felder war auf der Erde als Mond-MB gegründet worden, ein ungewöhnlicher Vorgang, der vor fünfzig Jahren einiges Stirnrunzeln hervorgerufen hatte. Die Mitgliedschaft war streng begrenzt auf Logologisten – jedenfalls war keine Ausnahme bekannt –, was ihn zum einzigen Mond-MB machte, der sich auf religiöse Prinzipien gründete. Aus diesen Gründen war der MB Task-Felder stets ein Außenseiter und verhältnismäßig machtlos in der Mondpolitik, sofern man in dieser Hinsicht überhaupt von Politik sprechen konnte: ein Filz gegenseitiger Vorteilsbeschaffung, Höflichkeit und kleiner Kungeleien angesichts eines deutlichen finanziellen Drucks.
    Die Task-Felder-Logologisten führten ihre Geschäfte mit Bedacht, spielten ihre Rolle mit gewissenhafter Aufmerksamkeit für Details und Qualität, verteilten ihre Gunst und Darlehen sorgfältig unter den anderen MB und im Rat und arbeiteten sich so mit unglaublicher Geschwindigkeit auf der Leiter mondweiter Anerkennung nach oben, während sie gleichzeitig sechs unmögliche Dinge schon vor dem Frühstück glaubten.
    »Ich habe den MB-Projektstatus-Bericht vom Rat erhalten«, sagte Janis Granger und setzte sich anmutig in einen Sessel dem meinen gegenüber. Ich saß nicht an einem Schreibtisch; der war Vertragsverhandlungen oder Finanzabkommen vorbehalten. »Ich möchte mit Ihnen darüber sprechen, da Sie der Manager des größten wissenschaftlichen Projektes sind, das zur Zeit beim MB Sandoval durchgeführt wird.«
    Ich hatte von diesem Bericht des Rates gehört; in seiner frühen Entwurfsform war er harmlos erschienen, wieder einmal eine Einverständniserklärung über gegenseitige MB-Aktivitäten.
    »Wir haben die übereinstimmende Einwilligung der Gründungs-MBs zu einer gegenseitigen Beratung über Projekte, die den Mondstatus innerhalb des Tripels beeinflussen könnten«, sagte die Granger.
    Warum war sie nicht zum Familiensyndikat in Port Yin gegangen? Warum hatte sie den weiten Weg zurückgelegt, um ausgerechnet mit mir zu sprechen? »Na gut«, sagte ich. »Ich vermute, die für Sandoval zuständige Repräsentantin hat die Vereinbarung geprüft.«
    »Das hat sie. Sie hat mich wissen lassen, daß es dadurch zu einem Konflikt mit einem laufenden Projekt kommen könnte, nicht mit Ihrem Hauptprojekt. Sie riet mir, eine Vertretung der Präsidentin auszuschicken, um mit Ihnen zu reden; ich entschied, daß die Angelegenheit wichtig genug ist, daß ich mich ihrer selbst annehme.«
    Die Granger hatte eine Beharrlichkeit, die mich an Rho erinnerte. Sie wandte den Blick nicht von mir ab. Sie lächelte nicht. Sie beugte sich vor, wobei ihre Ellbogen weiterhin auf den Sessellehnen ruhten, und sagte: »Rhosalind Sandoval hat einen Vertrag über die Lieferung von terrestrischen Eisleichen unterzeichnet.«
    »Das hat sie. Sie ist übrigens meine leibliche Schwester.«
    Die Granger blinzelte. Bei einem familienorientierten MB-Mitglied hätte eine
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