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Königsklingen (First Law - Band 3)

Königsklingen (First Law - Band 3)

Titel: Königsklingen (First Law - Band 3)
Autoren: Joe Abercrombie
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waren sie mit Belagerungsleitern angerückt, wieder und wieder, in Wellen und in Gruppen, überraschend bei Nacht oder kühn bei Tag, und im Hellen wie im Dunklen waren die ausgefransten Linien verwundeter Unionisten nach ihren gescheiterten Versuchen wieder abgerückt und hatten ihre Toten feierlich hinter sich hergeschleppt. Dann endlich hatten sie versucht, mit den wilden Verteidigern zu verhandeln, mittels eines nordländischen Übersetzers, und der arme Mann war mit dem Inhalt einiger Nachttöpfe übergossen worden.
    Letztlich war es reine Glückssache gewesen. Ein unternehmungslustiger Korporal hatte die Bewegungen der Wachleute genau studiert und dann im Schutz der Dunkelheit sein Glück mit einem Wurfanker versucht. Es war ihm gelungen, die Mauer zu erklimmen, und ein Dutzend anderer mutiger Männer war ihm gefolgt. Sie hatten die Verteidiger überrumpelt, einige von ihnen getötet und das Torhaus erobert. Die ganze Aktion hatte zehn Minuten gedauert und nur einen Unionisten das Leben gekostet. Es erschien West passend aberwitzig, dass, nachdem sie ungefähr jede erprobte Herangehensweise versucht hatten und jedes Mal blutig gescheitert waren, das Heer der Union schließlich durch das weit geöffnete Tor ins Innere der Festung marschierte.
    Ein Soldat beugte sich nahe dem Tunnel vornüber und erbrach sich geräuschvoll auf die fleckigen Steinplatten.
    West ging voll böser Vorahnungen an ihm vorüber, und das Klacken seiner Stiefelabsätze hallte durch den langen Gang, bis er an seinem Ende den großen Innenhof inmitten der Festung erreichte. Es war ein gleichseitiges Sechseck, dessen Form die Anordnung der inneren und äußeren Burgmauern spiegelte und genau der perfekten Symmetrie des Gebäudes entsprach. West bezweifelte jedoch, dass den Architekten der Zustand gefallen hätte, in dem die Nordmänner die Festung verlassen hatten.
    Ein langes Holzgebäude, das an einer Seite des Innenhofs gelegen war und vielleicht einen Stall darstellte, hatte bei dem Angriff Feuer gefangen und war nur noch ein Durcheinander verkohlter Balken, die vor sich hin schwelten. Jene, die mit den Aufräumarbeiten betraut worden waren, hatten draußen vor den Toren genug zu tun, und daher war der Boden hier immer noch mit weggeworfenen Waffen und verkrümmten Körpern übersät. Die toten Unionisten hatte man in ordentlichen Reihen in der Nähe einer Ecke aufgereiht und mit Decken verhüllt. Die Nordmänner lagen kreuz und quer, auf dem Bauch oder auf dem Rücken, zusammengerollt oder ausgestreckt, so wie sie gefallen waren. Die Steinfliesen unter den Leichen waren tief eingekerbt, aber dabei handelte es sich nicht nur um die zufälligen Spuren der dreimonatigen Belagerung. Ein großer Kreis war in den Steinboden gemeißelt worden, der in sich weitere Kreise trug und der mit seltsamen Zeichen und Symbolen ausgefüllt war, die einem komplizierten System folgten. West gefiel der Anblick überhaupt nicht. Aber schlimmer noch war der ekelhafte Gestank, der sogar den stechenden Geruch verbrannten Holzes überlagerte.
    »Was riecht denn hier so?«, brummte Jalenhorm, der sich eine Hand über den Mund legte.
    Ein Korporal in der Nähe hörte ihn. »So wie’s aussieht, haben unsere nordländischen Freunde die Festung noch hübsch dekoriert.« Damit deutete er über ihre Köpfe, und West folgte dem behandschuhten Finger mit dem Blick.
    Sie waren so stark verwest, dass er einen Augenblick brauchte, um zu erkennen, dass er menschliche Überreste vor sich hatte. Man hatte sie mit ausgestreckten Armen und Beinen an die nach innen zeigenden Mauern eines jeden Turms genagelt, hoch über den Unterständen, die sich um die Wände des Innenhofs zogen. Verfaulende Eingeweide hingen aus ihren Bäuchen, von Fliegen übersät. Mit dem Blutkreuz gezeichnet, wie die Nordmänner gesagt hätten. Zerlumpte Fetzen leuchtender Unionsuniformen waren noch vage zu erkennen und zuckten neben dem verwesten Fleisch in der leichten Brise.
    Sie hingen ganz offensichtlich schon lange dort. Sicherlich schon, bevor die Belagerung begonnen hatte. Vielleicht schon, seit die Festung zuerst den Nordmännern in die Hände gefallen war. Leichen der ursprünglichen Verteidiger, die man dort angenagelt hatte und die seitdem all diese Monate vor sich hin faulten. Drei von ihnen schienen keine Köpfe mehr zu haben. Vielleicht gehörten sie zu den drei Geschenken, die man Marschall Burr schon vor so langer Zeit geschickt hatte. West ertappte sich dabei, wie er sich völlig sinnlos
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