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Königsallee

Königsallee

Titel: Königsallee
Autoren: Horst Eckert
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diesem Moment nahm das Schwindelgefühl zu. Wieder diese beklemmende Atemnot.
    Die Welt wurde schwarz und drehte sich. Sein letzter Gedanke: Jetzt verpasse ich den Mordverdächtigen.
79.
    Reuter stieß die Tür zum alten Frühbesprechungsraum auf. Nur Wiesinger, der Aktenführer, saß darin und tippte etwas.
    Er blickte hoch. »Wie geht’s dir?«
    Reuter ignorierte die Frage. »Ist unser Kunde schon da?«
    »Der Halter des Wohnmobils? Er heißt Lothar Schubries, von Beruf Fliesenleger, geboren in Halle an der Saale, fünfunddreißig Jahre alt. Und er brutzelt gerade im Verhörzimmer des KK 22.«
    »Danke.«
    Zwei Stockwerke tiefer im gegenüberliegenden Flügel – Reuter hätte es sich denken können.
    Als er die Glastür zum Mördertrakt öffnete, vernahm er Stimmen. Eine Bürotür stand auf, drinnen saßen Anna Winkler und Staatsanwalt Balthus. Sie starrten auf ein Fenster. Auf der anderen Seite der Scheibe beteuerte ein hagerer Mann seine Unschuld. In seinen Augenwinkeln zuckte es und beim Reden befeuchtete er mit der Zunge seine Lippen. Gelbliche Zähne, unruhiger Blick – dass der Kerl nervös war, musste noch nichts heißen.
    »Schubries?«, fragte Reuter leise.
    Kollegin Winkler bejahte.
    Das Fenster war ein venezianischer Spiegel. Ein kleiner Lautsprecher am oberen Rand übertrug, was im Nebenraum gesprochen wurde.
    Neben dem Beschuldigten saß ein Anwalt, mit dem Reuter noch nicht zu tun gehabt hatte. Vermutlich jemand vom anwaltlichen Notdienst, der später die Pflichtverteidigung übernehmen würde.
    Ihnen gegenüber saßen zwei Kollegen. Reuter erkannte sie auch von hinten: Blondschopf Thilo Becker, der MK-Leiter, und Marietta Fink, die Hübsche aus der Kriminalwache. Am offenen Fenster stand Bruno Wegmann und rauchte mit der Verzweiflung des Süchtigen. Eine Videokamera auf einem Stativ zeichnete das Gespräch auf.
    Schubries’ Stimme, mit weinerlichem Unterton: »Ich will’s mal so sagen: Meine Kumpels wollten das Düsseldorfer Nachtleben erleben.«
    »Und dann?«, fragte Becker.
    »Ich fuhr mit ihnen zum Brauhaus an der Oststraße, aber Maik und Patrick wollten unbedingt Frauen auftun. Also Puff, sozusagen.«
    »Wer sind diese Freunde?«, raunte Reuter, an Anna Winkler vom KK 11 gewandt.
    »Ein Installateur aus Kassel und ein weiterer Fliesenleger aus Halle. Sie haben früher in der gleichen Firma gearbeitet, als der Osten mit unserem Geld zum Blühen gebracht wurde.«
    »Nennt er Namen und Anschrift?«
    »Klar. Seine Strategie läuft darauf hinaus, den Spezis die Tat anzuhängen.«
    Der Staatsanwalt räusperte sich.
    Reuter lauschte wieder den blechernen Stimmen aus dem Lautsprecher.
    »Sie lief die Straße entlang und irgendwie war klar, was die wollte. Schon allein von der Kleidung her.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Bordsteinschwalbe, sozusagen.«
    »Und dann?«
    »Meine Kumpels meinten, ich solle mal anhalten. Dann haben wir sie zu einer Spritztour eingeladen.«
    »Und?«
    »Na ja.«
    »Was: Na ja?«
    »Diese Nutte hat’s meinen Kumpels besorgt.«
    Reuter beobachtete, wie Wegmann seine Zigarette auf dem Fensterbrett ausdrückte – er klopfte den Stummel energisch aufs Blech. Danach trat er an die Kamera und kontrollierte im Sucher die Bildeinstellung.
    »Ihre Freunde haben Henrike Andermatt vergewaltigt.«
    »Ach wo, die wollte es doch. Die hat alles mitgemacht.«
    »Und Sie?«
    »Ich bin nur gefahren.«
    »Und dann?«
    »Als wir sie absetzen wollten, sagte Maik, also, dann sagte er, die rührt sich ja gar nicht mehr. Wir haben Panik bekommen und Maik meinte, wir sollten sie irgendwo im Wald abladen.«
    »Statt sie in ein Krankenhaus zu fahren.«
    »Das wollte ich ja, aber meine Kumpels meinten, dass da sowieso nichts mehr zu machen war. Sozusagen mausetot.«
    »Wer von Ihnen hat sie umgebracht?«
    Schubries antwortete hastig: »Keiner. Ich will’s mal so sagen: Die muss krank gewesen sein. Drogensüchtig. Sind doch viele von denen. Die hatte sich was gespritzt – und plötzlich war’s aus!«
    Marietta fragte: »Herr Schubries, Sie haben Ihr Reisemobil hübsch ausgebaut. Richtig nett, würde ich sagen.«
    Der Mann straffte seinen Rücken und musterte die K-Wachen-Kollegin. »Besser als jedes Hotel. Und billiger. Meine Meinung.«
    »Und wenn man mit einer Frau intim werden möchte, dann sorgt man ja erst recht für eine nette Atmosphäre, stimmt’s?«
    »Hm.«
    »Herr Schubries, haben Sie oder Ihre Freunde der Frau etwas zu trinken gegeben, vielleicht einen Schnaps, um es sich gemütlich
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