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Königsallee

Königsallee

Titel: Königsallee
Autoren: Horst Eckert
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betrunken – so weit würde ich nicht gehen.«
    »Habt ihr Drogen genommen?«, wollte Scholz wissen.
    »Nein.«
    »Gib’s zu.«
    »Ehrlich nicht.«
    »Liquid Ecstasy?«
    »Sie müssen mir glauben, Herr Kommissar.«
    Reuter malte sich aus, dass Frontzeck den Weg nicht finden würde. Dass sie stundenlang durch Duisburg kurven würden. Dass sie schließlich vor einem Haus mit fünfzig Mietparteien landen würden – und jeder Bewohner könnte Henrikes ominöses Ziel gewesen sein.
    Sie hatten Kaiserswerth hinter sich gelassen. Felder und malerische Pferdekoppeln rechts und links. Der Kleinwagen vor ihnen furzte Dieselruß und beschleunigte kein bisschen.
     
    Frontzeck identifizierte das Haus im Stadtteil Hamborn ohne jeden Zweifel. Ein grünlich verputzter fünfstöckiger Klotz aus der Nachkriegszeit, im Erdgeschoss ein Kiosk mit Lotto-Annahmestelle. Es gab noch schlimmere Gegenden in Duisburg.
    Scholz fragte den Werbegrafiker: »Können wir dich allein lassen?«
    »Sie brauchen doch nicht lange, oder? Ich muss so rasch wie möglich zurück zur Agentur.«
    Reuter zog den Schlüssel ab und warf die Tür zu. Scholz schnaufte, als strenge ihn das Gehen an. Sie passierten den Kiosk. Daneben die Eingangstür. Ein rundes Dutzend Klingeln. Scholz wollte mit der untersten beginnen.
    »Warte.« Reuter trat näher, um die Namen auf den Schildern zu entziffern: Deutsche, Türken, Portugiesen.
    Ein Name, der Reuter ins Gesicht sprang: Winters.
    Er drückte den Klingelknopf und sagte: »Verwandtschaft von Juli, Robbys Freundin.«
    Eigentlich stamme ich aus dem Ruhrgebiet – je nach Blickwinkel zählte Duisburg sowohl zum Niederrhein als auch zum Pott.
    Keine Reaktion.
    »Und jetzt?«, fragte Scholz.
    »Wir könnten die Duisburger Kollegen besuchen. Herausfinden, wer hier wohnt. Erkundigungen einziehen.«
    Reuter versuchte es noch einmal. Er rüttelte am Türgriff. Die Gegensprechanlage blieb stumm.
    Der Austräger eines Anzeigenblatts kam die Straße entlang. Er ließ eine Zeitung durch die offene Kiosktür segeln, dann stemmte er mit vollem Körpereinsatz die Haustür auf und legte einen Packen auf die Briefkästen. Er würdigte die beiden Beamten keines Blicks und zog mit seinem Handkarren weiter.
    Reuter hielt die Tür fest, bevor sie ins Schloss fiel. Scholz folgte ihm ins Innere. Essensgeruch hing in der Luft.
    »Paniertes Schweinskotelett mit Bratkartoffeln«, sagte Scholz. »Ich kriege Hunger.«
    Dann kann es ihm nicht so schlecht gehen, dachte Reuter. Marietta hatte übertrieben.
    Die Wohnungstüren trugen keine Namensschilder. Reuter schellte auf gut Glück im ersten Stockwerk. Eine Blondgefärbte mit dunklem Haaransatz öffnete. Skeptischer Blick, innen dudelte orientalische Popmusik.
    »Winters?«
    »Gegenüber.«
    Reuter bedankte sich und klingelte dort. Er lehnte das Ohr an die Tür. Der Fernseher lief. Er hämmerte gegen das Holz.
    Schlurfende Schritte. Nach einer Weile ging die Tür auf. Eine Sicherheitskette, darüber ein rundes Gesicht mit rosa Wangen.
    Reuter zeigte seine Marke. »Kripo Düsseldorf. Nur ein paar Fragen. Können wir hereinkommen?«
    Die Tür schloss sich, die Kette rasselte, dann schwang die Tür wieder auf. Wortlos walzte eine dicke Frau durch den Flur. Sie trug eine Art Hausanzug aus türkisgrünem, eng anliegendem Frotteestoff, der all ihre Wülste und Speckrollen zur Geltung brachte.
    Die Wohnungsinhaberin führte ihren Besuch ins Wohnzimmer und ließ sich auf das Sofa plumpsen. Mit müden Augen musterte sie die Beamten. »Was haben Sie mit Ihren Haaren gemacht?«
    Reuter hielt Abstand. Dem Geruch nach zu urteilen, wusch sie sich und ihre Kleidung nur selten.
    Auf der Mattscheibe schworen sich junge Leute ewige Liebe. Scholz setzte sich in den Sessel, griff nach der Fernbedienung und stellte den Ton leiser. »Sind Sie Frau Winters?«
    »Ja.«
    Reuter sah sich um. Ein Regal voller Puppen, an der Wand Poster von weißen Pferden und einer Boygroup. Wie das Zimmer eines pubertierenden Mädchens. Reuter trat näher an die Plakate. Die Jungs waren Take That – Robbie Williams zum Zeitpunkt der Aufnahme kaum erwachsen.
    Scholz fragte: »Die Mutter von Juli Winters, die in Düsseldorf lebt?«
    Die Frau stöhnte, als bereite ihr die Antwort Mühe. »Ist was mit ihr?«
    Reuter nahm ein Foto vom Tisch. Ein Baby in Bauchlage, den Kopf erhoben, große, braune Augen. »Ist sie das?«
    »Ja. Aber jetzt ist Juli schon groß. Demnächst heiratet sie.«
    Am 10. September sollte es sein, dem Geburtstag meiner
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