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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage
Autoren: Rebecca Michéle
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lang ist es mir gelungen, jeden zu täuschen, auch Vater. Darum werde ich die Maskerade noch einige Zeit aufrechterhalten, bis sich die Gelegenheit ergibt, die Wahrheit zu gestehen. Ich bin sicher, dass Vater glücklich sein wird, sein Kind bei sich zu haben – egal, ob Junge oder Mädchen!«
Lady Margaret teilte Antonias Meinung nicht, dazu kannte sie ihren Gatten zu gut. Für eine Flucht ohne Geld und ohne Hab und Gut war sie jedoch zu schwach, körperlich wie auch seelisch.
»Ich werde jeden Tag drei Gebete sprechen, dass dein Plan funktioniert«, murmelte sie und wischte sich erneut die Tränen von den Wangen. Seit Sir Normans Erscheinen in Fenton Castle vor drei Tagen hatte sie beinahe ständig geweint, während Ellen wie ein aufgescheuchtes Huhn hin und her geeilt war.
»Ich verstehe wirklich nicht, warum der unverschämte Kerl nicht erlaubt, dass ich mit euch komme«, brummte Ellen, während sie den letzten Riemen an dem Bündel, das Antonias wenige Sachen enthielt, festzog.
Tatsächlich hatte Ellen darauf bestanden, ihren Schützling in die Stadt zu begleiten. Ein Ansinnen, das von Sir Norman erst mit ungläubigem Staunen, dann mit schallendem Gelächter beantwortet wurde.
»Ich schleppe doch nicht eine alte Kindsmagd mit an den Königshof! Es ist höchste Zeit, dass der Junge aus der weibischen Verhätschelung herauskommt, um ein Mann zu werden.«
Sir Norman konnte sich lebhaft die Reaktion von Lord Thomas vorstellen, wenn er nicht nur seinen Sohn, sondern auch die Kinderfrau mitbrachte. Somit hatte er Ellens Ansinnen vehement abgewehrt und auch kein weiteres Wort der Diskussion zugelassen.
Ellen war es auch gewesen, die Antonia mit schamrotem Kopf über die Bedeutung des monatlichen Blutflusses aufgeklärt hatte. »Du musst dir immer dicke, feste Tücher zwischen die Beine klemmen. Besonders in der Nacht musst du darauf achten, dass kein Blut dein Laken verschmutzt. Das würde dich sofort als Frau entlarven. O du meine Güte, das kann nicht gut gehen!«
Die Männer saßen bereits hoch zu Ross, allen voran Sir Norman auf seinem prachtvollen schwarzen Hengst, als Antonia in den Hof hinunterkam. Ein Knecht hielt ihr Pferd am Zügel bereit, und sie verschnürte ihr Bündel hinter dem Sattel. Ellen machte einen letzten Versuch, Antonia zu umarmen und an ihr Herz zu drücken, aber als Antonia den ungeduldigen Gesichtsausdruck von Sir Norman sah, machte sie sich schnell aus der Umarmung frei und schwang sich behände in den Sattel. Lady Margaret stand mit aschfahlem Gesicht abseits, einer Ohnmacht nahe.
»Ich werde meinem Vater Eure Grüße übermitteln, Mylady«, rief ihr Antonia formell zu. »Vielleicht kommen wir Euch zu Weihnachten besuchen.« Auffordernd sah sie Sir Norman ins Gesicht. »Ich bin bereit, wir können aufbrechen.«
Als der kleine Trupp die Zugbrücke passierte und auf die Landstraße hinaus ritt, fühlte sich Antonia frei wie ein Vogel. Die Sonne war erst vor einer Stunde aufgegangen, noch hing der Tau der Nacht in den Zweigen und in der Luft dieser unvergleichbare Duft, den man nur an einem Sommermorgen riechen kann. Antonia war sicher, dass sich alles zum Guten wenden würde. Sie würde ihre Rolle als Anthony so lange spielen, bis der richtige Augenblick gekommen war, um sich Lord Thomas zu offenbaren. Kein Vater würde so herzlos sein, sein einziges Kind von sich zu stoßen. Sicher würde Lord Thomas toben, sie vielleicht auch kräftig verprügeln, aber davor fürchtete sich Antonia nicht. Unruhig rutschte sie im Sattel umher. Nach Sir Normans Aussage würde ihre Reise vier oder fünf Tage dauern, je nachdem, wie sich das Wetter verhielt. Antonia erschien dies unendlich lang. Sie wäre am liebsten ohne Pause nach Hampton Court galoppiert, so gespannt sah sie den kommenden Ereignissen entgegen.

3. KAPITEL
    Die morgendliche Frische wich bald einer sengenden Sonne, die unbarmherzig auf die Reiter herab brannte. Wegen der Hitze trug Sir Norman keine Rüstung, sondern über dem offen stehenden Leinenhemd nur ein leichtes Kettenhemd. Immer wieder schweifte Antonias Blick zu dem sichtbaren Teil seiner Brust, auf der die goldenen Härchen neckisch aus dem Ausschnitt ragten. Sofort wurde es ihr noch wärmer. Schnell drehte sie den Kopf zur Seite und tat, als würde sie mit Interesse die Landschaft betrachten. Obwohl sie mit Sir Norman kaum ein paar Sätze gesprochen hatte, fühlte sie sich in seiner Nähe seltsam beunruhigt. Es war jedoch kein Gefühl der Beklemmung, eher eine gespannte Erregung,
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