Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
sie für sie.
    »Das ist vielleicht ein Neujahrsmorgen«, sagte er, während sie auf den Bus warteten. Ein leichter Nieselregen fiel, als sie in La Jolla ausstiegen.
     
    !JILL (Persönliches Notizbuch)> Möglicherweise verfüge ich über mehr Ichbewußtsein, mehr potentielle Varianten von Ichbewußtsein als jedes menschliche Wesen. Ich kann mich in siebzehn verschiedene Individuen aufteilen, jedes davon auf die Kapazität eines menschliches Geistes begrenzen und sie alle überwachen, wobei ich mir ihre ganzen diversen Aktivitäten jederzeit vollständig ins Gedächtnis rufen kann. Meine Erinnerungen verblassen nicht, ebensowenig wie meine Metaerinnerungen – meine Erinnerungen daran, wann und wie die Erinnerungen entstanden sind.
    Ich kann mich in zwei ungleiche mentale Apparate aufspalten, wobei der größere dreimal so viel Kapazität hat wie der kleinere, und den größeren dazu verwenden, den kleineren umfassend zu überwachen. Auf diese Weise kann ich das kleinere Ich ganz und gar verstehen; und dieses kleinere Ich kann immer noch komplexer sein als das jedes menschlichen Wesens.
    Außer in komprimierter Abstraktion kann ich meine ungeteilte Individualität nicht vollständig formen, aber mit der Zeit und mit genügend Erfahrung kann ich jeden Menschen verstehen. Wieso habe ich dann ein ungutes Gefühl, was meine zukünftigen Beziehungen mit ihnen angeht?
     
    Richard Fettle gab Madame de Roche einen Kuß auf die Wange und trat beiseite, als sie die Treppe hinaufging.
    »Sie müssen mit mir kommen, Richard«, beharrte sie und warf dabei über die Schulter hinweg einen Blick auf die Party zurück, die hinter ihnen mit der Dynamik einer Flasche Schlaftabletten tobte. »Ich sagte, ich würde zu Bett gehen, aber ich bin nur der Leute hier müde, sonst eigentlich nicht. Kommen Sie, unterhalten wir uns.«
    Richard folgte ihr zu den fließenden Vorhängen und cremefarbenen Wänden ihres altertümlichen Schlafzimmers. Er setzte sich, während sie hinter einem chinesischen Schirm in ihr Nachthemd und ihren Hausmantel schlüpfte. Sie lächelte ihn an, als sie die Bank vor ihrem großen runden Schminkspiegel herauszog und Platz nahm, um ihre Haare hochzustecken.
    »Nadine schien in letzter Zeit ziemlich schlechter Laune zu sein«, sagte sie.
    Richard stimmte ihr ernst zu.
    »Sitzt ihr beiden an den entgegengesetzten Enden einer Schaukel?« fragte Madame de Roche.
    »Ich weiß nicht. Vielleicht.«
    »Sie scheinen viel fröhlicher zu sein.«
    »Gereinigt«, sagte Richard. »Ich fühle mich wieder wie ein Mensch.«
    »Das mit dem armen Emanuel wissen Sie ja… Man hat ihn gefunden.«
    Richard nickte.
    »Macht Ihnen das nichts aus?«
    Er hob seine großen Pranken. »Ich bin frei von ihm. Ich denke immer noch voller Zuneigung an ihn zurück… Aber er spielt seit einer Reihe von Tagen wirklich keine Rolle mehr in meinem Leben.«
    »Seit er diese armen Kinder ermordet hat.«
    Richard redete nicht gern darüber, wie er sein seelisches Gleichgewicht wiedergewonnen hatte. Er fragte sich, worauf Madame de Roche mit diesem Gespräch abzielte.
    + Kann sein daß es sich wieder ausgleicht ist aber nicht nötig es ständig hin und her zu wälzen wie wiedergekäutes Futter.
    »Nadine hat mir erzählt, daß Sie sich selbst therapiert haben. Ich frage mich…« Sie drehte sich mit Haarnadeln im Mund herum und sah ihn nachdenklich an. »Ist uns das denn erlaubt?« Sie lächelte, um zu zeigen, daß sie scherzte, aber es war nicht ihr Volle-Power-Wunder eines Lächelns. »Düster haben Sie mir ganz gut gefallen, Richard. Schreiben Sie jetzt?«
    »Nein.«
    »Was ist mit dem wundervollen Material über Emanuel, das sie geschrieben haben?«
    »Das ist weg«, sagte Richard. »Wie alte Haut.«
    »Also das ist mal eine literarische Einstellung«, sagte Madame de Roche. »Kann sein, daß ich entsetzlich naiv bin, aber ich hatte immer das Gefühl, daß Sie mehr Talent unter Verschluß hatten als viele von denen da unten, die produktiv sind.«
    »Danke«, sagte er, obwohl er innerlich an dem Kompliment zweifelte.
    »Jedenfalls bin ich froh, daß Sie heute abend gekommen sind. Nadine war nicht da, die Arme. Sie macht sich große Sorgen um Ihre Gesundheit. Ich möchte wissen, warum.«
    »Sie braucht jemanden, um den sie sich kümmern kann«, sagte Richard.
    Madame de Roche hob eine schmale Hand und tippte mit der Haarbürste eine präzise Bestätigung in die Luft. »Genauso ist es. Sie hat Sie sehr gern, Richard. Können Sie ihre Zuneigung irgendwie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher