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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
Autoren: Peter Conrad
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und ließen den Staub auf den Dachziegeln aufwirbeln, während er seine Füße auf das Dach setzte. In einer faszinierend eleganten und doch zugleich völlig natürlichen Bewegung faltete der riesige Engel seine Flügel zusammen und blickte hinab in den Hof des Tempels. Um ihn herum schwoll das Rauschen und das Schlagen mächtiger Flügel noch weiter an, hunderte von Engeln setzten zur Landung auf den Dächern der Tempelumfassung an.
    Nach geraumer Zeit wie es schien verstummte der Lärm, der Staub legte sich und nun hörten auch die Engel nur noch den beständigen Lärm der Stadt, deren Geräuschkulisse leise wirkte im Vergleich zu dem, was sich bis gerade eben auf dem Tempelberg zugetragen hatte. Auf den gesamten Umfassungsmauern des Tempels, den Säulengängen und ebenso der südlichen Säulenhalle standen jetzt dicht an dicht mehr als eintausend Engel nebeneinander und sahen still und schweigend hinab auf die kleine Gruppe Pilger, in deren Mitte der Mann namens Jeshua stand.
    „Wir können auf den Köpfen der Menschen dieser Stadt niedergehen und sie würden uns nicht sehen und hören“, sprach der Engel, der als erster gelandet war zu seinem Nachbarn, ohne den Blick von den Menschen zu seinen Füßen zu nehmen. „Aber zumindest er hat uns kommen sehen!“
    Er streckte die Hand aus und zeigte auf Jeshua, der in diesem Augenblick wortlos nach oben sah und den Blick der beiden Engel auffing.
    „Wundert dich das, Asasel?“, fragte der zweite Engel zurück. Auch er ließ den Blick nicht von Jeshua ab. „Er ist anders als alle anderen. Das war uns doch klar.“
    „Hast du wirklich versucht ihn zu verführen, Samael?“, fragte Asasel nach einem kurzen Schweigen zurück.
    Samael versteifte sich. „Ja, vierzig Tage und Nächte habe ich in der Wüste versucht ihn zu verderben… es war vergebens. Ich bin noch nie an einem Menschen so gescheitert wie an ihm…“
    Asasel kicherte. „Ich habe dir gesagt, dass du nicht an ihn herankommst. Wir können Menschen nur verführen, weil ein jeder von ihnen Zweifel in sich trägt. Zweifel an Gott, Zweifel an der Gerechtigkeit, Zweifel an sich. Aber der da, dieser Jeshua, der zweifelt an gar nichts. Er ist sich seiner selbst, vor allem aber Gottes so unendlich sicher, dass jeder Versuch vollkommen aussichtslos ist.“
    „Du musst mich nicht belehren, Asasel!“, fauchte Samael. „Ich weiß sehr wohl um die Weltordnung, aber es schien mir dennoch unmöglich, dass ein Einzelner – ein Mensch – so sicher sein kann, so wenig Zweifel an Gott haben kann!“
    Samael verzog frustriert den Mund. In diesem Augenblick wandte Jeshua seinen Blick von den Engeln auf dem Dach ab. Er legte einen Arm um den Menschen namens Juda und wies auf die große Säulenhalle. Langsam setzte sich die Gruppe in Bewegung und ging auf den Eingang der Halle zu. Samael war sich sicher, ein Lächeln um Jeshuas Mundwinkel spielen gesehen zu haben, als er sich abwandte. Er bebte innerlich vor Zorn.
    „Warum hast du uns an diesen Ort gebracht, Asasel?“, fragte er in unterdrückter Wut. „Du weißt sehr wohl, dass dieser Ort heilig ist und wir hier nicht auf ihn einwirken können.“
    „Richtig“, erwiderte Asasel. „Aber die Frage ist, ob wir das überhaupt sollten.“
    Samael erstarrte. „Was? Was sagst du da? Warum sollten wir ihn nicht ins Verderben stürzen wollen?“
    „Sag, Samael. Bist du eigentlich gern hier?“, fragte Asasel beiläufig.
    „Was soll das?“, brach es aus Samael heraus. „Du weißt sehr wohl um den Zorn und die Einsamkeit, die in uns allen steckt, seitdem wir gezwungen sind, auf diesem üblen und gottverlassenen Felsen in diesem öden Universum unser Dasein zu fristen. Und du weißt ebenso gut wie ich, dass nur die Menschen die Schuld an unserem Schicksal tragen."
    „Ja, all das weiß ich“, gab Asasel ungerührt zurück. „Sollten wir uns gerade deshalb nicht darüber Gedanken machen, wie wir an unserer Lage etwas ändern können?“
    Samael sah Asasel schweigend an. „Was meinst du damit?“, fragte er schließlich mit rauer Stimme.
    „Dieser Jeshua ist aus einem guten Grund hier, Samael“, sprach Asasel leise und wie zu sich selbst, doch alle anwesenden Engel vernahmen seine Worte trotz der Entfernung so klar und deutlich, als stünde er direkt neben ihnen. „Gott der Herr hat ihn gesandt, weil er den Menschen gegen uns helfen soll. Er soll ihnen ihre Zweifel nehmen und unsere Macht auf der Welt beschneiden. Er ist das Licht in der Dunkelheit, er ist die
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