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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
Autoren: Peter Conrad
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Engeln. Er hat nie auch nur einen Augenblick an seinem Auftrag gezweifelt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in ihm noch genug Gutes vorhanden ist, um den Weg zurückgehen zu können, den er eingeschlagen hat.“
    „Denkst du wirklich, dass er sich so weit von Gott entfernt hat, dass für ihn alles verloren ist?“, fragte Eleanor. „Er war doch einmal ein Engel an der Seite Gottes. Wie kann all das Gute in ihm verloren gegangen sein?“
    Raphael schnaubte. „Ja, es stimmt. Er war einmal ein wahrer Engel, aber das ist länger her, als ein Mensch erfassen kann. Ich weiß, dass er wie die meisten von uns eine kurze Phase hatte, in der er auf des Messers Schneide stand. Er hätte sich damals schon zu Gott bekennen können. Doch stattdessen fiel er nur noch tiefer in die Finsternis. Jetzt kann wohl niemand ihn dort noch herausholen…“
    „Eine Phase? Was meinst du, Raphael?“
    Raphael schloss die Augen und senkte den Kopf. Er schien sich sammeln zu müssen, bevor er leise fortfuhr. „Dies ist nicht das erste Mal, dass wir die Chance auf Erlösung erhalten. Das ist schon einmal geschehen. Vor rund zweitausend Jahren. Doch damals haben die wenigsten von uns erkannt, was uns da geboten wurde. Wir waren viel zu weit von dem entfernt, was es braucht, um wirklich verstehen zu können. Heute glaube ich, dass wir damals einfach noch nicht genug gelitten hatten. Manchmal muss der Schmerz erst ein gewisses Maß überschreiten, damit man wirklich versteht und handeln kann.“
    Raphael sackte unter diesen Worten sichtbar ein Stück in sich zusammen. Er senkte den Blick und wich Eleanor aus.
    „Was? Was hast du?“, flüsterte sie besorgt.
    „Es… es ist nichts…“, stammelte Raphael.
    „Tu das nicht, mein Herz. Was hast du gerade gedacht?“
    Raphael schien förmlich zu schrumpfen. Die Stärke, die sonst immer ein Teil seiner Körperhaltung, seiner Stimme und seines ganzen Wesens war, schien vollkommen hinweggefegt, nie dagewesen zu sein. Eleanor erkannte ihn kaum wieder, sie hielt unwillkürlich die Luft an, als sie ihn in diesem Zustand erblickte. Es tat ihr am ganzen Körper weh, ihn so zu sehen.
    „Was?“, hauchte sie, während ihr die Tränen in die Augen schossen. Ein Grauen erfasste sie, eine unbändige Angst um Raphael, um sich selbst, um die ganze Welt.
    Sehr langsam hob Raphael den Blick. „Asasel liegt mit sich und der ganzen Welt im Krieg“, sprach er langsam. „Er hat die wohl größte Sünde begangen, der sich ein Lebewesen in dieser Schöpfung schuldig machen kann und dieses Wissen zehrt an ihm, frisst ihn auf und es hat nichts weiter als Hass zurückgelassen.“
    „Was kann so schlimm sein, dass er es sich selbst nicht verzeihen kann? Und was mag es sein, dass allein der Gedanke daran dich selbst so belastet?“
    Raphael senkte erneut den Blick.
    „Was?“, schluchzte Eleanor. „Was war es?“ Nun liefen ihr die Tränen ungehindert herab und fielen auf ihrer beider Hände.
    Ein Ruck schien durch Raphael zu fahren. Abrupt ließ er Eleanors Hände los und erhob sich. Er blickte sie nicht an.
    „Ich werde es dir nicht sagen. Nur Asasel selbst hätte das Recht, das zu tun.“
    Dann ging er auf die Tür zu. Jeder seiner Schritte war schleppend, seine Schultern gebeugt und von einer großen Last beladen. Ohne sich noch einmal umzusehen verließ er den Raum und schloss leise die Tür hinter sich. Eleanor war allein und plötzlich fror sie am ganzen Leibe.
     
     

Aufbruch
     
    Longinus kratzte sich am Kinn. Er hasste dieses Land, viel zu heiß war es hier. Die Sonne brannte unablässig auf Land und Menschen herab und zu allem Überfluss waren die Fliegen hier eine beständige Plage. Nirgendwo war man vor ihnen sicher, sie waren überall, verseuchten die Luft und das Essen und selbst der nächtliche Schlaf wurde durch das unablässige Brummen der Viecher gestört.
    Marcus Tullius Longinus sehnte sich nach seiner Heimat. An den Hängen der sabinischen Berge wäre es kühl und angenehm zu dieser Jahreszeit, der Duft von Lavendel und Thymian hinge dort in der Luft und das Rauschen des Windes wäre in den Zypressen und Pinien zu hören.
    Stattdessen stand er hier als römischer Legionär an einem der Stadttore Jerusalems Wache und ließ seinen Blick mit zusammengekniffenen Augen über die staubige Ebene nördlich der Stadt zum Berg Skopus wandern. Heute war viel Verkehr auf den Straßen nach Jerusalem, ständig kamen Bauern aus der Umgebung mit Hand- oder Ochsenkarren an, um ihre Waren in der Stadt zu
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