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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
Autoren: Peter Conrad
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verkaufen. Jeder dieser Wagen musste kontrolliert werden und niemand durfte passieren, der nicht die Einfuhrzölle bezahlte, welche die Römer dem Handel in die judäische Hauptstadt auferlegt hatten. Der neue Prokurator Pilatus griff hier mit harter Hand durch und sorgte auf diese Weise geschickt dafür, dass sich sein privates Säckel angemessen füllte in der Zeit, die der römische Kaiser ihm für die Ausbeutung dieses Landes gegeben hatte.
    Longinus seufzte. Kleine Legionäre wie er hatten nichts von diesem System. Nichts außer Scherereien. Schon wieder kam eine Gruppe von Reisenden auf ihn zu und er erkannte schon von weitem, dass dies keine Bauern waren. Pilger! Schon wieder irgendwelche Pilger, die kamen, um die heilige Hauptstadt der Juden zu besuchen. Longinus spuckte angewidert aus. Er hatte absolut kein Verständnis für diese religiösen Eiferer, die außer ihrem eigenen Gott alle anderen Götter einfach ablehnten und sich schlicht weigerten, ein Teil der Pax Romana zu sein. Dieses Land war voll von Aufrührern und schuld daran war einzig diese Religion, die so unfassbar intolerant war, dass die Römer sie kaum in ihr Reich einzugliedern vermochten. Longinus wusste nicht, warum diese Juden sich mit ihrem Gott so anstellten. Für jeden Griechen war es doch klar, dass sein Zeus identisch mit dem römischen Jupiter war und jeder Ägypter wusste, dass Jupiter nur eine andere Form ihres eigenen Gottes Re war. Allein die Juden hielten sich für etwas besseres, wollten außerhalb der natürlichen Ordnung stehen. Kein Wunder, dass man nur Ärger mit ihnen hatte. Dieses ganze Land war voll schwärender Unruhen, die sich wie die Pest hielten und durch nichts auszurotten waren. Nur gut, dass Pontius Pilatus keine Kompromisse einging. Seit seiner Amtseinsetzung hatte sich die Zahl der Kreuzigungen mindestens verdoppelt. In Longinus Augen war es dennoch nicht genug. Gegen diesen Pöbel hätte man noch härter durchgreifen müssen.
    Die Gruppe der Pilger hatte eine weitere Wegkehre hinter sich gelassen und hielt nun direkt auf das Tor zu, an dem Longinus stand. Ungeduldig trat er von einem Fuß auf den anderen. Gleich würde das Pack hier sein, bei Bacchus, wie er diese Irren hasste. An diesem Land war einfach alles falsch – das Wetter war nicht gut, das Essen schmeckte abscheulich, es gab keinen anständigen Wein, die Frauen liefen größtenteils verschleiert herum und die Männer waren fast alle antirömisch eingestellt. Longinus sehnte sich nach seiner letzten Garnison in Hispanien zurück. Dort war das Leben anständig gewesen, aber hier…
    Glöckchengeläut drang an sein Ohr. Die Pilger hatten drei Opferlämmer mitgebracht, die sie im Tempel des Herodes opfern würden und die sie nun auf das Tor zutrieben. Na, wenigstens in diesem Punkt glich der Gott der Juden all den anderen Göttern. Auch er hatte etwas für möglichst viel Opferblut übrig, sein Altar im Tempel war über und über mit Blut beschmiert wie Longinus wusste, seitdem er einmal von einem der Türme der Festung Antonia hinüber in den benachbarten Hof des Tempels gesehen hatte.
    Die kleine Pilgergruppe war mittlerweile vor Longinus stehengeblieben. Missmutig fragte er nach ihren Namen und ihrem Begehr.
    „Wir sind Juden aus Galiläa“, sprach der Mann, der die Truppe anführte. „Ich bin Jeshua aus Nazareth. Wir sind hier, um Gott in seinem Haus zu ehren.“
    Longinus nickte und winkte die Gruppe wortlos und mit mürrischer Miene durch. Sollten sie doch ihre Zeit mit diesem Gott verschwenden, der sein Volk nicht vor den römischen Legionen zu beschützen vermochte.
    Longinus spuckte aus und blickte plötzlich erschrocken auf. Die Pilgergruppe war an ihm vorbeigezogen, doch ihr Führer war stehengeblieben und blickte Longinus nun freundlich an, obwohl dieser ihm gerade aus Unachtsamkeit vor die Füße gespuckt hatte.
    „Du wirst nicht für immer hier sein“, sprach der Fremde, der sich Jeshua genannt hatte. „Aber wenn du dieses Land durch die Augen jener siehst, die hier leben, wirst du es vielleicht auch eines Tages lieben können.“
    Mit diesen Worten wandte er sich um und ließ den verdutzten Marcus Tullius Longinus auf seiner Wache stehen.
     
    Die Sonne war erst wenig weitergewandert und hatte noch immer nicht ihren Höhepunkt erreicht, als die kleine Gruppe ihr Herbergsquartier verließ. Sie hatten sich nur ein wenig frischgemacht und ihr Reisegepäck abgelegt, nun wollten sie in die Stadt und den Tempel sehen, der weit über die
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