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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
Autoren: Peter Conrad
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Grenzen Judäas bekannt war.
    „Wirst du uns führen, Jeshua?“, fragte einer der Männer, der von den anderen Simeon genannt wurde.
    Jeshua zögerte. „Es ist lange her, seit ich das letzte Mal hier gewesen bin. Damals war ich ein kleiner Junge an der Seite meines Vaters. Vielleicht wäre es besser, wenn ein anderer die Führung übernähme. Juda, willst du uns leiten?“
    Der Angesprochene nickte lächelnd und trat vor. „Wenn wir zum Tempel des Herodes wollen, müssen wir durch die Straße der Tuchhändler, von dort gelangen wir durch den Basar der Marjamne an die Westmauer des Tempelberges.“
    Jeshua nickte und gab Juda durch eine Handbewegung zu verstehen, dass er vorausgehen solle. Die Gruppe setzte sich in Bewegung und folgte nun Juda, der sichtlich stolz darauf war, ein Mitglied dieser Pilgergruppe zu sein. Er war jung, drahtig, hatte die zwanzig gerade erst überschritten und war unzweifelhaft gutaussehend. Wenn Juda lachte, strahlten alle um ihn herum ebenso. Es war fast unmöglich, sich in seiner Gegenwart nicht wohl zu fühlen und so war es sicherlich auch kein Wunder, dass Jeshua ihn liebte und gern in seiner Gruppe hatte.
    Gemeinsam bahnten sich die Männer nun einen Weg durch das bunte Treiben Jerusalems, sie betraten die breite Geschäftsstraße der Tuchhändler, die in der mittäglichen Hitze still vor sich hin brütete und kamen dann in die Basarstraße, in der selbst zu dieser Tageszeit laut gehandelt und gefeilscht wurde. In diesem Teil des Basars wurden Obst und Gemüse verkauft und die Auslagen waren gut gefüllt mit Oliven, Zitrusfrüchten, Granatäpfeln, Lauch und Zwiebeln. Der Geruch von Kräutern und Gewürzen, von Kardamom, Kreuzkümmel, Safran und Knoblauch erfüllte die warme Luft und zauberte ein Lächeln auf die Gesichter der Männer.
    Sie bogen um eine letzte Kehre und nun sahen sie hinter der Häuserzeile des Basars bereits die mächtige Westmauer der Tempelplattform vor sich aufragen. Ein letztes Mal folgten sie dem Straßenverlauf nun gen Norden und kurz darauf fanden sie sich vor der riesigen Freitreppe, die an dieser Seite des Tempelberges über eine Zwischenplattform und einen Rundbogen hinauf zum Tempel führte.
    Die Gespräche zwischen den Männern erstarben, während sie die breite Treppe emporstiegen. Voll Ehrfurcht blickten sie nun auf den gewaltigen Komplex des Herodestempels, der mit jedem ihrer Schritte näher rückte. Die weißen Marmorwände erstrahlten so hell in der Sonne, dass sie die Augen schließen mussten, um nicht geblendet zu werden und die zahlreichen Blattgoldverzierungen in diesem Weiß gaben dem gigantischen Tempel das Aussehen eines riesigen Wolkenschiffes, das allein für Gott über den Fährnissen dieser Welt schwebte und für Menschen unerreichbar war.
    Für die Juden in aller Welt war dieser Tempelkomplex das Zentrum der Welt. Jener Ort, in dessen Allerheiligstem Gott selbst wohnte. Es gab keinen reineren Ort auf Erden, keinen heiligeren. Hier wurde Gott geopfert, hier wurde die jüdische Religion gelehrt, hier schlug das Herz des Judentums auf Erden.
    Die Männer betraten den äußeren großen Hof des Tempels, der gänzlich von hohen Säulengängen umstanden war. Gen Süden erhob sich die königliche Stoa, eine gewaltige Säulenhalle, in der zu dieser Tageszeit zahlreiche Rabbis lehrten, aber auch weltliche Geschäfte getätigt wurden, sofern sie mit dem Tempel selbst zu tun hatten. Gen Norden jedoch erhob sich das eigentliche Tempelhaus, welches noch einmal von einem dichten Ring weiterer Gebäude umgeben war. Um diesen Komplex herum zog sich wiederum eine niedrige Mauer, die an mehreren Stellen von Durchlässen umgeben war, an denen auf steinernen Schildern davor gewarnt wurde, als Nichtjude oder Unreiner diesen Teil des Tempels zu betreten. Die Strafe für dieses Vergehen war die Todesstrafe, wie jedermann wusste. Dies war der Tempel des Herrn, der heiligste Ort des jüdischen Volkes, und auch Jeshua stand ergriffen an diesem Ort und sah sich beeindruckt um.
    Ein Rauschen begann die Luft zu erfüllen. Zunächst noch fern und leise konnte es nicht gegen den Lärm der Stadt bestehen, doch mehr und mehr wurde es zu einem gewaltigen Laut, der schließlich die Grundfesten der Welt erzittern ließ. Und doch bemerkten die Menschen in Jerusalem es nicht – sie waren taub und blind für das, was sich über ihren Köpfen auf dem Tempelberg ereignete.
    Ein erster Engel ließ sich auf dem Dach der großen Halle nieder. Seine Schwingen peitschten die Luft
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