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Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Titel: Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
Autoren: Martin Wehrle
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Wirklichkeit bin ich ein Einzelhändler. Ich lebe von Brötchen und Dosenbier und Zeitschriften. Den Reibach mit dem Benzin machen nur die Mineralölketten.«
    Doch die Ölkonzerne streiten die Preistreiberei ab. Sie verweisen auf eine höhere Macht: auf den Rohölmarkt, der ihnen angeblich die Preise diktiert. Dieser Markt ist ein wundersames Ding. Zum Beispiel schafft er es, die Tankstellenpreise immer pünktlich zum Freitag, dem allgemeinen Reisetag der Woche, nach oben zu treiben. Dagegen ist der Markt am Sonntag gnädig – und lässt die Preise fallen, während mein Auto mit (halb)vollem Tank heimwärts rollt. Eine Studie des ADAC bestätigt: Benzin kostet am Sonntag im Schnitt 3,4 Cent weniger als am Freitag 7 .
    2011, kurz vor Ostern, schoss der Preis in neue Rekordhöhen. Sol che Anstiege kennt der geübte Kunde schon von anderen Reisetagen, etwa kurz vor Weihnachten oder vor den Sommerferien. Dann sitzen die Menschen auf gepackten Koffern und können nicht anders als ihren Tank zu füllen. Um jeden Preis.
    Die Statistik entlarvt das Kalkül. Zum Beispiel hatten die Oster-Benzinpreise in den letzten vier Jahren ihren Höhepunkt immer zwischen dem Mittwoch der Karwoche und dem Karfreitag erreicht – während sie zum Samstag, dem Nicht-mehr-Reisetag, grundsätzlich sanken: 2007 um 1,8 Cent, 2008 um 3,1 Cent, 2009 um 4,7 Cent, 2010 um 3 Cent. 8
    Dass die Benzinpreise nicht so sehr an den europäischen Öl- und Kraftstoffmarkt in Rotterdam gekoppelt sind, wie die Konzerne behaupten, sondern mehr an ihr hemmungsloses Profitstreben, liegt auf der Hand. Das Bundeskartellamt sieht ein preistreibendes Oligopol am Werk, bestehend aus fünf Mineralölkonzernen: Aral/BP (23,5 % Marktanteil), Shell (22 %), Jet (10 %), Esso und Total (je 7,5 %). Wann immer ein Konzern auf der Preisleiter eine Sprosse nach oben klettert – meist gehen die beiden Großen voraus –, ziehen die anderen in Windeseile nach. Das Kartellamt spricht von »Marktstrukturen zum Nachteil des Verbrauchers«. 9
    Diese Abzocke empfinde ich als doppelte Frechheit. Erstens, weil sie das Kartellverbot austrickst; vor dem letzten Osterfest kritisierte sogar der damalige Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP): »Angebot und Nachfrage müssen in einer Marktwirtschaft den Preis bestimmen, nichts anderes – auch kein Feiertagskalender.« 10 Und zweitens jagt es meinen Blutdruck nach oben, dass die Ölkonzerne uns Verbraucher offenbar für einen Haufen gehirnverbleiter Trottel halten, deren Gedächtnis nicht einmal von Freitag bis Sonntag reicht und denen man einfach eine Tankfüllung billiger Ausreden in die Ohren pumpt, um sie in Ruhe abzuzocken. Oder warum sonst wagt man es, die tagesgenaue Preistreiberei auf die Ölmärkte abzuwälzen?
    Spätestens am Ostermontag 2011 zeigte die Ölindustrie ihr wahres Gesicht: In Stuttgart-Filderstadt verlangte eine Zapfsäule 9,99 Euro für den Liter Superbenzin. Zwei Kunden, die die Preisanzeige nicht beachteten, wären an der Kasse fast in Ohnmacht gefallen: Eine Frau sollte für 20 Liter rund 200 Euro bezahlen, ein Mann für zehn Liter 100 Euro. 11
    Ein Versehen? Nein, die Preise seien bewusst vervielfacht worden, hieß es an der Kasse – aufgrund eines Versorgungsengpasses. Die Preiseinstellung habe nicht die Tankstelle, sondern direkt die Zentrale vorgenommen. Beide Kunden riefen die Polizei. Doch die Beamten konnten nicht helfen: Der Fantasiepreis – eigentlich höher, als die Polizei erlaubt – wurde tatsächlich fällig.
    Rainer Hillgärnter, Sprecher des Auto Club Europa, fühlte sich an einen »Schwarzmarkt« erinnert. Und er stellte den Ölmultis in der Stuttgarter Zeitung ein schlechtes Zeugnis aus: »Dass Weltkonzerne in einen Versorgungsengpass hineinstolpern, wie Betrunkene in einen Dorfteich, ist kaum zu glauben. Dem Grunde nach müsste jetzt die Gewerbeaufsicht von Amts wegen Ermittlungen aufnehmen. Das gilt auch für falsche Preisangaben und Wucherpreise an den Zapfsäulen.«
    Der Nachtclub-Trick
    Es soll Nachtclubs mit Striptease-Einlagen geben, deren Eintrittspreise spottbillig sind. Massenhaft strömen die Kunden hinein. Doch ist man erst mal drin und bestellt sich einen Drink, folgt die böse Überraschung: Pro Gläschen werden schon mal 20 oder 30 Euro fällig – als würde man keinen Whiskey, sondern flüssiges Gold schlürfen. Der günstige Eintrittspreis ist ein Fliegenfänger, um die Laufkundschaft festzuhalten. Und sie dann nach Strich und Faden auszunehmen.
    Dieselbe Masche
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