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Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Titel: Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
Autoren: Martin Wehrle
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Grundpreis ist nur ein Alibi.
    Ein paar Straßen weiter stoße ich auf die nächste Drogerie-Filiale, diesmal von Schlecker. Ich lasse mich von einer Verkäuferin beraten. In letzter Zeit bildeten sich an meiner linken Kinnseite nach dem Rasieren kleine Pickel. Ob sie ein Mittel dagegen wisse.
    Die Verkäuferin – eine aufgeweckte junge Frau – lotst mich zielsicher durch die Gänge. Mit triumphierendem Lächeln streckt sie mir die »Clearasil Akut«-Pickelcreme entgegen. Ja, genau so etwas habe ich gesucht. Aber sind 5,99 Euro für 15 Gramm nicht ganz schön happig? Vorsichtshalber frage ich nach: »Ist diese Creme teurer geworden?«
    »Nein, die kostet schon immer 5,99«, antwortet sie freundlich.
    In kneife die Augen zusammen: »Und waren da schon immer 15 Milliliter drin?«
    Sie lächelt zurück: »Was sonst. Na klar.«
    Ich glaube nicht, dass sie mich beschwindeln will. Offenbar ist ihr dasselbe entgangen wie den meisten Kunden. Was stimmt: Die Creme kostete immer schon 5,99 Euro. Aber die Packungsgröße wurde über Nacht von 30 auf 15 Milliliter halbiert – das ist so, als würde ein Vermieter den Wohnraum seines Mieters plötzlich von 100 auf 50 Quadratmeter zusammenstutzen, aber denselben Preis dafür verlangen. Eine unglaubliche Preiserhöhung von 100 Prozent!
    Ich konfrontiere die Verkäuferin mit diesen Zahlen. Sie schüttelt den Kopf: »Das kann ich mir nicht vorstellen. Das ließen sich unsere Kunden doch nicht gefallen.«
    Stimmt: Kein Kunde würde von einem Tag auf den anderen für das gleiche Produkt den doppelten Preis berappen. Das wissen auch die Hersteller. Darum jubeln sie den Kunden diese unverschämten Preiserhöhungen heimlich unter. Der Kunde wird, was den Preis angeht, von hinten erschossen; er kann sich nicht wehren.
    DIE TRICKS DER PREISTREIBER
    Mit welchen Tricks gehen die Hersteller bei ihrer Preistreiberei ans Werk? Hier vier Mogelpackungs-Strategien, 2011 von der Verbraucherzentrale Hamburg aufgedeckt: 13
    1. Überteuerter Riese
    Je größer die Packung, desto günstiger der Preis – sollte man meinen. Die Hersteller nutzen das knallhart aus. Ein Beispiel: das Waschmittel »Lenor Sommerbrise«. Die Ein-Liter-Packung kostet 1,85 Euro und reicht für 28 Waschgänge – eine Ladung kostet also 0,07 Euro. Die Drei-Liter-Flasche ergibt nur 27 Waschladungen – was 0,15 Euro pro Einheit macht. Wer die Großpackung kauft, zahlt 114,3 Prozent mehr! XXL ist hier nur eines: der Preis.
    2. Heimlicher Zwerg
    Ein Preisschild, auf dem seit Jahren dieselbe Zahl steht, muss kein Hinweis auf einen stabilen Preis sein. Der Blick auf die Füllmenge kann das Gegenteil beweisen. Bei etlichen Produkten wurde sie in den letzten Jahren mehrfach gesenkt. Beispiel: »Pringles Chips«. Erst sank die Füllung von 200 auf 170 Gramm, dann auf 165 Gramm. Der relative Preis kletterte heimlich um insgesamt 51,7 Prozent. Stabil ist hier nur eines: der Hang zum Täuschungsmanöver.
    3. Gemeiner Zwilling
    Nahezu blind greifen wir unser Lieblingsprodukt aus dem Regal. Ein Fehler, denn die Hersteller schicken vermehrt gemeine Zwillinge ins Rennen: Produkte, deren Verpackung vom Original nur einen Tick abweicht. Beispiel: der »Patros Schafskäse«. Die Variante mit »50 % weniger Fett« sieht dem Original zum Verwechseln ähnlich – nur dass man denselben Preis für 150 statt 200 Gramm bezahlt. Und: Die Grammangabe ist in heller Schrift vor hellem Hintergrund abgebildet, als sollte sie übersehen werden. Als dummes Schaf behandelt wird hier nur einer: der Kunde, denn er zahlt ein Viertel mehr.
    4. Verlorener Sohn
    Produkte sind wie alte Bekannte: Manchmal verschwinden sie für Jahre von der Bildfläche – und tauchen dann unvermittelt wieder auf. Auf den ersten Blick unverändert. Nicht aber auf den zweiten! Beispiel: das »Yes-Torty« von Nestlé. 2003 wurde es vom Markt genommen und kehrte seither mehrfach zurück. Offenbar hat der Schokoriegel Diät gehalten: Er wiegt nicht mehr 38 Gramm wie früher, sondern nur noch 32 Gramm. Das Wiedersehen macht hier nur einem Freude: dem Hersteller, denn er kassiert 15,8 Prozent mehr.

3. Die Bahn im Wahn: Entgleiste Dienstleistung

K ein feiner Zug: Die Bahn foltert ihre Kunden. Mit Zügen, die nicht kommen. Mit Durchsagen, die nichts sagen. Mit Schaffnern, die ihre Kunden schaffen. In diesem Kapitel erfahren Sie …
wie ich unfreiwillig zum Schwarzfahrer wurde,
warum das größte Zugunglück die Durchsagen bei Verspätungen sind,
weshalb der nächste Slum immer nur so weit
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