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Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)

Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)

Titel: Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
Autoren: Stefan Keller
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Verzweifelt trat er fester gegen das Holz, das nur langsam
nachgab. Schließlich flog es krachend aus seiner Vernagelung und landete auf der
schneebedeckten Wiese. Die nächsten Schüsse schlugen unmittelbar neben ihnen ein.
Wie zum Teufel konnte der Schütze in dieser Dunkelheit sehen? Fliehen, dachte Marius,
wie die Rehe. Schließlich schwang sich der Detektiv aus der Öffnung ins Freie. Für
einige Augenblicke würde er ein wunderbares Ziel für den Schützen sein, wie er am
Hochsitz hing, sich mit beiden Armen am Holz festklammernd. Kurz zögerte er. Er
konnte nur hoffen, dass er in der Dunkelheit nicht gut genug zu erkennen war. Mit
einem Satz landete er auf dem weichen Grasboden. Ein Sprung ins Ungewisse. ›Aber
die Min…‹, dachte er und mit einem Mal verstand er, was Schuster ihm hatte sagen
wollen. Sekundenlang blieb er starr vor Entsetzen stehen, sein Atem keuchte. Wenn
Schuster die Wiese um seinen Hochsitz herum vermint hatte, war er vom Regen in die
Traufe gesprungen. Nicht nur ein wunderbares Ziel für den Schützen im Wald, sondern
auch mitten in einem tödlichen Minenfeld. Ein Schuss landete krachend in der Holzstütze
neben ihm. Ein Splitter Holz bohrte sich mit einem brennenden Schmerz in seine Schulter.
Panisch rannte er los, in einem Film hatte er einmal gesehen, dass die Leute geduckt
und zickzack liefen, um ein schlechteres Ziel abzugeben. Die Stille um ihn herum
bemerkte er gar nicht, dann empfing die Dunkelheit des Waldes den Detektiv. Erschöpft
und verängstigt lehnte er sich an einen Baum. Von hier konnte er den Hochsitz sehen,
der jetzt wieder still und friedlich am Waldrand stand. Auch der Schütze schien
verschwunden zu sein. Es war fast, als hätte er das alles nur geträumt. Doch die
Reste der Außenwand, die er weggetreten hatte, lagen auf der Wiese und auch der
Schmerz in seiner Schulter war echt und erinnerte ihn daran, dass jemand in diesem
Wald lauerte, um ihn zu töten. Langsam tastete er sich durch das Dunkel, Äste streiften
schmerzhaft sein Gesicht, mehrfach stolperte er über Wurzeln und in Löcher, bis
er schließlich seinen Renault erreichte, den er ein paar hundert Meter oberhalb
des Hochsitzes abgestellt hatte. Zum Glück hatte er so geparkt, dass er ihn zwischen
den Bäumen fast ungesehen erreichen konnte. Die Seitentür war nur ein paar Armlängen
von ihm entfernt, als sein Blick auf die vier aufgeschlitzten Reifen fiel.
    In diesem Moment hörte er das Klicken
hinter sich und kaltes Metall presste sich an seinen Schädel. Marius hob langsam
die Hände.
    »Ihretwegen musste einer meiner
Männer sterben.«
    »Seinetwegen sind sieben Menschen
gestorben.«
    »Gleich sind es acht«, antwortete
die Stimme hinter ihm.
    Rede, dachte Marius, rede und gewinne
Zeit. Seine Knie zitterten, ansonsten war er zu seiner eigenen Überraschung ruhig.
Oder erschöpft? »Warum haben Sie Schuster überhaupt erschossen, da oben auf dem
Hochsitz? Ging es nicht die ganze Zeit darum, ihn zu schützen?«
    Mit langsamen Bewegungen kam der
Schütze um ihn herum, ohne den Detektiv aus den Augen zu lassen. Schweigend. Dann
nahm der Mann in dem schwarzen Overall das Nachtsichtgerät von den Augen und Marius
Sandmann blickte in ein paar braune Augen hinter dem Sehschlitz einer Sturmmaske.
Er erkannte die Augen, es waren dieselben, die er auf dem Video im Internet gesehen
hatte. Das Video, auf dem Ali Ökçan das Attentat vom 11. November angekündigt hatte.
Der Mann nahm die Sturmhaube ab, fast augenblicklich stellten sich die kurzen weißen
Haare auf. Marius blickte hinab auf Bronckhorsts Hand, auf der noch die Reste einer
sorgfältig aufgemalten Brandnarbe zu erkennen waren. Wie einfach man sich täuschen
ließ. »Sie wollten gar nicht ihn treffen! Die Schüsse galten mir.«
    »Ich dachte, er würde sich schon
eine Deckung suchen. Wie Sie. Dann hörte ich das Holz splittern, als Sie sich Ihren
Fluchtweg frei getreten haben.«
    »Es hätte auch Schuster sein können.«
    »Meine Männer sind cleverer.«
    »Schuster war krank. Er hätte eine
andere Form der Hilfe gebraucht.«
    »Glauben Sie vielleicht, ich liefere
einen meiner Männer ans Messer? Lassen wir die politische Dimension einmal beiseite
und fragen nicht, was ahnungslose Bürger sagen, wenn einer unserer Soldaten tut,
was Schuster glaubte, tun zu müssen. Aber ihre Form der Hilfe hätte bedeutet, ihn
den Medien zum Fraß vorzuwerfen. Und im Knast geht einer wie Schuster zugrunde.«
    Marius antwortete, bevor er richtig
nachdachte. »Sie
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