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Knuddelmuddel

Knuddelmuddel

Titel: Knuddelmuddel
Autoren: Annegret Heinold
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Fotos der Linie 28 und die Fahrt mit dieser Straßenbahn ist ein Muss für Touristen. Man sitzt auf Holzbänken und läßt sich durch die engen Gassen der Altstadt rattern. Das ist noch ganz wie früher. Auf Hinweisschildern in den Wagons wird vor Taschendieben gewarnt. Das ist die heutige Zeit.
     
    5. Und José, der Kellner, nennt mich immer Menina , das ist so etwas wie die portugiesische Version des Fräuleins, und irgendwie fühlt man sich da doch gleich ein bisschen jünger, bei so einem Bom dia, Menina , auch wenn es nur eine Illusion ist. Und an manchen Tagen nennt er mich sogar: minha linda . Meine Hübsche. Alleine das ist es doch wert, da immer wieder hinzugehen. Selbst, wenn es die ersten vier Gründe nicht gebe.
     
    Es gibt allerdings auch einen schwerwiegenden Grund, der gegen dieses Café spricht.
    Die Kuchen.
    Es sind ausgezeichnete Kuchen. Eine Vielzahl von lecker aussehenden Kuchen, die alle gut schmecken, in der Vitrine liegen und iss-mich-iss-mich-iss-mich ausstrahlen (im Grunde sogar laut schreien, es ist nicht zu überhören). Da ist schwer zu widerstehen. Deshalb habe ich die knallharte Regel aufgestellt, Kuchen gibt es einmal in der Woche und zwar am Samstagmittag, wenn ich von der Arbeit komme. Als Belohnung dafür, dass die Arbeitswoche endlich vorbei ist und ich erst am Montag wieder ins Reisebüro muss. Als Einstieg in das Wochenende. Als Vorfreude auf einen faulen Sonntag. Und natürlich zu besonderen Gelegenheiten. Weihnachten zum Beispiel. Ostern. Geburtstag ...
    Na, Geburtstag ist jetzt kein so gutes Stichwort. Mein runder Unglücksgeburtstag ist jetzt drei Wochen her und genauso lange bin ich wieder Single. Alleine. Getrennt. Ohne João an meiner Seite und in meinem Bett. Ob Trennungen auch einen Kuchen rechtfertigen? Im Grunde ja, doch, ja, finde ich. Trennungen sind etwas Besonderes. Nicht im guten Sinne, eher im schlechten, aber doch besonders (na, glücklicherweise, das möchte man ja wirklich nicht dauernd haben, im Grunde eigentlich nie, es sollte ein Leben ohne Trennungen geben, obwohl, dann wäre ja – ach, ich weiß auch nicht ...) und Trost hat man dann wirklich nötig.
    Ich gehe zur Theke und versuche, mich zu entscheiden. Und verweifle bei dieser Entscheidung genauso wie bei der Entscheidung, was ich nun mit meinem Leben machen soll.
    Alleine bleiben oder einen neuen Mann suchen?
    Und wenn einen suchen – wo bitte schön?
    In Portugal bleiben und für den Rest meines Lebens als einsame Ausländerin in Campo de Ourique wohnen und von Montagmorgen bis Samstagmittag in dem Reisebüro in der Baixa arbeiten und glücklichen Paaren Reisen in die weite Welt verkaufen? Mit möglichst viel Sonne natürlich.
    Soll ich vielleicht nach Deutschland zurückgehen?
    Das käme dann in der Tat einer Niederlage gleich. Da kommt sie wieder angekrochen, die Loserin Elke Schmidt, hat es im Ausland nicht geschafft, die Arme.
    Oder: wir haben es dir ja gleich gesagt, aber du wolltest ja nicht hören.
    Oder ein aufmunternd gemeintes: Wissen Sie, Frau Schmidt, Sie haben es wenigstens versucht, traut sich ja auch nicht jeder, hat nicht geklappt, kann ja vorkommen, ist ja auch nicht so einfach, da im Ausland, unter all den Fremden, aber Sie haben es wenigstens versucht.
    Oder ein schlichtes: In der Heimat ist es eben doch am schönsten, im Alter kommen sie sowieso alle wieder zurück, von meiner Ex- und womöglich auch wieder zukünftigen Nachbarin Frau Meier (für den Fall, dass die Wohnung in der Preystraße wieder zu haben ist und ich wieder zurückgehen will oder muss).
    Keine guten Aussichten. Wie würde ich mich da fühlen? Wie eine Versagerin.
    Da bleibe ich lieber hier.
    Und erzähle allen in Deutschland, wie gut es mir hier geht. Bine und Andrea beim chatten (na, Süße, alles gut bei dir in der Sonne? Yep, alles gut hier). Und meiner Mutter, wenn wir sonntags telefonieren (Und bist du immer noch glücklich mit deinem João? Aber natürlich Mama, wieso fragst du? Nur so, mein Schatz, man wird ja nochmal fragen dürfen). Frau Meier, wenn sie denn fragen würde, was sie aber nicht kann, weil sie ja garnicht meine Telefonnummer hat. Den Kollegen vom Buchladen beim sporadischen e-mail-Austausch. Ihnen allen versichere ich, wie schön das Leben in Lissabon ist!
    Ich kann sogar mit der Linie 28 zur Arbeit in die Baixa fahren, wenn ich will. Ich kann hier vor dem Café einsteigen und ganz in der Nähe des Reisebüros aussteigen. So eine Fahrt hat ja schon was. Einmal habe ich gesehen, wie ein
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