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Knuddelmuddel

Knuddelmuddel

Titel: Knuddelmuddel
Autoren: Annegret Heinold
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Kurzurlaub im September in Figueira da Foz gekauft haben. Der Pullover ist gemustert und hat vorne einen Reißverschluß, den João immer offen trägt. Dadurch steht der Kragen hoch, er könnte ihn auch runterschlagen, aber das tut er nie, und irgendwie sieht es total gut bei ihm aus. Dazu die kurzen Haare, schon grau, und die grau-grünen Augen. Und das markante Gesicht. Ich mag Männer, die markante Gesichter haben und Joãos Gesicht ist mir sofort aufgefallen, damals an der Algarve, damals, als wir uns kennengelernt haben.
    João sah auf den dekorierten Tisch. Die Trockenblumen. Die Kerzen. Und er sagte: Elke, ich muss mit dir reden. Und ich sagte, ja klar, schieß los, was gibt es denn?
    Und João sagte: Ich will heiraten.
    Und für einen unendlich glücklichen Moment dachte ich: das ist schön. Wir werden heiraten. Ich machte einen Schritt auf ihn zu, und in diesem Moment hörte ich, wie er sagte: Sie heißt Vivian. Ich habe sie vor drei Wochen kennengelernt.
     
    Und dann hat er mir beim chinesischen Fondue alles gebeichtet.
    Und der einzige Grund, warum ich ihm dieses blöde chinesische Fondue mit seinen ganzen kleinen sorgfältig zubereiteten Zutaten nicht einfach ins Gesicht oder über seinen grauen Pullover gekippt habe, ist wohl der, dass ich erstens so viel Arbeit in die Vorbereitung gesteckt hatte und zweitens wußte: Das ist mit Sicherheit das letzte chinesische Fondue in meinem Leben und das sollte ich genießen, auch wenn es mir schwerfällt. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ich je wieder chinesisches Fondue esse, das ist mir jetzt ja für immer und ewig verleidet. Er hat Vivian in der Baixa kennengelernt. Auf der Rua Augusta. Sie hatte ihn nach dem Weg zum Rossio gefragt, weil sie keinen Stadtplan hatte oder kaufen wollte oder lesen konnte. Vivian ist Amerikanerin. Sie kommt aus Seattle. Und sie ist rothaarig.
    Muss es denn ausgerechnet eine Rothaarige sein, habe ich João gefragt.
    Und João hat mich erst angesehen, als ob ich vielleicht nicht mehr ganz richtig im Kopf sei und dann gesagt, tut mir leid, Elke, tut mir wirklich leid.
    Wie leer es in der Wohnung ist, wenn man alleine wohnt. Diese Stille. Wie sehr man sich an die Geräusche gewöhnen kann, die durch die Anwesenheit des Partners entstehen. Wie sehr man diese Geräusche vermisst, wenn da keiner mehr ist. Wie sehr einem diese Geräusche fehlen können. Es ist, als ob die Stille laut ist. Als ob man das Fehlen der Geräusche hört. Die Schritte im Raum. Das Klappern der Schlüssel. Das halbe Gespräch, das man mit anhört, wenn der andere im gleichen Raum telefoniert. Das Atmen des Anderen. Im Bett, im Raum, in der Wohnung. Und jetzt diese Stille um mich.
    Manchmal ertrage ich die leere Wohnung nicht mehr, abends oder am Wochenende. Dann gehe ich in das Café Covas und sitze dort, mit einer Zeitung oder ohne, und bin für eine Weile einfach unter Menschen. Alleine mit meinen Gedanken, aber wenigstens unter Menschen.

III
    Es gibt fünf Gründe, die für dieses Café sprechen. Es ist ein warmer Mai-Tag und ich sitze in der Pastelaria Covas, an der Ecke der Rua Saraiva do Carvalho und trinke einen Galão.
     
    1. Es ist der beste Galão überhaupt. In ganz Lissabon (na gut – so weit ich das beurteilen kann). Dieser Galão ist genau richtig. Ich bestelle mir immer einen Galão bem escuro , also einen ziemlich dunklen Galão und hier in der Pastelaria Covas ist er perfekt. Nicht zu milchig, aber auch nicht zu dunkel. Der Espresso für den Galão wird frisch gemacht und nicht aus Resten zusammengesammelt (oh ja, es gibt Cafés, da wird der Galão so gemacht, aus Resten!).
     
    2. Die Pastelaria Covas ist gleich bei mir um die Ecke, drei Häuser weiter, selbst bei Regen kein Problem, weil es ja nur ein paar Schritte sind.
     
    3. Es ist ein altes Café, stilvoll, mit Spiegeln an der Wand. Ein Café im Jugendstil.
     
    4. Man sitzt hier gemütlich, im Warmen, wenn es draußen kalt ist, und im Kühlen, wenn es draußen heiß ist. Es gibt auch Tische und Stühle auf der Straße und von da aus hat man einen besonders guten Blick auf das – wie es immer so schön heißt – Leben und Treiben auf der Straße. Selbst die berühmte Straßenbahnlinie 28 fährt hier vorbei. Eine der Lissabonner Touristenattraktionen überhaupt. Sie rumpelt vom Prazeres bis hoch in die Alfama, durch den Lissabonner Verkehr und enge Gassen. Kein Reisebericht über Lissabon ohne ein Foto der gelben Straßenbahn. Die Stadt ist voll von Postkarten, Aquarellen und
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