Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knuddelmuddel

Knuddelmuddel

Titel: Knuddelmuddel
Autoren: Annegret Heinold
Vom Netzwerk:
paar Männer ein Auto zur Seite gehoben haben, das zu nah an den Schienen stand. Die Straßenbahn kam nicht durch, ein paar Männer sprangen aus der Straßenbahn, hoben das Auto an, rückten es zur Seite – und schon ging die Fahrt weiter.
    Ich kann im Sommer im Estrela Park spazierengehen, der gleich hier bei mir um die Ecke ist, ein schöner Park mit hohen Bäumen und einem Teich mit Enten, spielenden Kindern und zeitungslesenden Rentnern. Und manchmal gibt es sogar Konzerte im Park.
    Und dann das Wetter. Was für ein herrliches Wetter wir hier haben! Es regnet nie!! Jeden Tag Sonne!!! Na, das ist doch überhaupt DAS Argument. Das können alle in Deutschland verstehen. Die SONNE .
    Eine Sonne, die immer scheint.
    Ein Leben wie in einem dieser Prospekte, die bei uns im Reisebüro ausliegen. Sympathische Paare, die schön shoppen, gut essen und gepflegt im Museum vor Bildern stehen, die sie manchmal schön finden und manchmal scheußlich, die sie manchmal verstehen und manchmal nicht und die sie manchmal sogar schön finden, obwohl sie sie nicht verstehen. Bevor sie dann abends in ihre frisch gemachten Hotelbetten fallen und dort etwas tun, was in Reiseprospekten nie gezeigt wird, und in meinem Leben wahrscheinlich auch nie wieder vorkommen wird.
    Nur Tom habe ich die Wahrheit gesagt. Meinem guten alten Schulfreund Tom, der mich immer mal wieder anruft, und der es als Dauer-Single auch nie geschafft hat, sich für länger als sechs Monate zu binden, und der mich daher verstehen kann.
    Endlich schaffe ich es, auf einen der Kuchen zu zeigen. Ein Eclair. Mit Schokolade überzogen, mit Eiercreme gefüllt. Einer von diesen Kuchen, wo man nicht möchte, dass sich der Verbraucherschutz durchsetzt und darauf besteht, dass die Kalorienzahl draufsteht. Will ich wissen, wieviel Fett und Zucker in diesem Kuchen steckt? Nein, will ich nicht. Die Unwissenheit schützt natürlich nicht vor der Kalorienzahl, aber im Grunde was soll´s. Ich bin fünfzig. Plus drei Wochen. Und die Zeit läuft unbarmherzig weiter. Woche für Woche, Tag für Tag, Stunde für Stunde ... Und wenn ich alles um mich herum richtig interpretiere, wie zum Beispiel:
     
    - die drei älteren Damen mit blau-lila-geföhnter Dauerwelle, die sich in Kostümen mit Goldknöpfen miteinander langweilen, dort drüben am dritten Tisch in der Ecke links, ja genau die;
     
    - und die deutschen Touristen, die sich in dieses Lokal verirrt haben, der Mann zwar in Shorts und Sandalen, sonst aber ganz passabel aussehend (und Kleidung kann man ändern, das ist wie beim Hauskauf, da zählt erstens und zweitens und drittens die Lage. Alles andere kann man ändern. Also beim Mann ist es natürlich nicht die Lage, sondern das Aussehen, ist ja klar). Dieser Mann dürfte so ungefähr in meinem Alter sein – ein oder zwei Jahre rauf oder runter – und hat eine dementsprechend fünfzehn bis zwanzig Jahre jüngere Frau bei sich. Die auch noch gut aussieht. Und klasse Haare hat. Eine braune lockige Mähne, die ihr provozierend über die Schultern fällt. Und lesen kann sie auch, denn sie trägt den Reiseführer und die Notizen und sieht nach, wo hier der deutsche Friedhof ist (in der Rua do Patrocínio Nr 59, aber das fehlt noch, dass ich ihr das verrate, die kann mich mal, mir einfach einen Mann aus meiner Generation wegzunehmen);
     
    - und da die Frau in schwarz, Jacke, Rock, Tuch, die Dona Emilia, seit drei Jahren Witwe, das weiß ich vom Kellner José, er hat es mir erzählt. Die Frau ist Mitte sechzig, hat er zu mir gesagt, da wird sie jetzt wohl alleine bleiben, denn wen sollte sie heiraten, in diesem Alter, und dann hat er traurig seinen Kopf geschüttelt;
     
    - das Gespräch am Nebentisch. Zwei Frauen, die sich über ihre Männer unterhalten. Über ihre Ex-Männer, wohlgemerkt, und deren neue Freundinnen;

    wenn ich das alles richtig deute, dann, ja dann ist meine Chance, die Welt der Singles je wieder am Arm eines auch nur halbwegs akzeptablen Mannes zu verlassen, äußerst gering. Was heißt hier äußerst gering, selbst äußerst gering ist noch ein Euphemismus. Meine Chance liegt nicht nur bei null, sondern irgendwo im Minusbereich. Wahrscheinlich weit drunter.
    Die ganze Welt ist voller weiblicher Singles jenseits der fünfzig, da habe ich mir ja gar keine Vorstellung von gemacht, als der João noch bei mir war und nicht bei seiner Vivian.
    Und jetzt gehöre ich dazu, zu diesen weiblichen Singles jenseits.
    Ich winke José und bestelle noch eins von diesen köstlichen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher