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Knuddelmuddel

Knuddelmuddel

Titel: Knuddelmuddel
Autoren: Annegret Heinold
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Nordeuropäisches. Ein bisschen lieblos gekleidet vielleicht, schwarze Jeans, weiße Bluse, blaue Strickjacke. Unspektakulär. Langweilig. Ein bisschen Farbe würde der Frau gut tun. Vielleicht auch im Gesicht. Oder irgendetwas Ungewöhnliches, etwas, das das bewußt schlicht gehaltene Äußere mal ein bisschen auflockerte. Irgendetwas, das signalisierte: ich bin immer noch ein weibliches Wesen.
    „Ich warte auf jemanden“, sagte ich. „Ein alter Schulfreund aus Hamburg will mich besuchen“.
    Warum erzählte ich ihm das denn, das ging ihn doch überhaupt nichts an.
    „Aha“, sagte der Mann.
    Ich faltete die Zeitung zusammen und legte sie vor mir auf den Tisch.
    „Und Sie? Wo fliegen Sie hin?“, fragte ich, obwohl es mich nicht die Bohne interessierte. Ich merkte aber auch: es war schön, mal wieder deutsch zu sprechen. Es musste Wochen her sein, dass ich mich mit einem anderen Deutschen unterhalten hatte. Gab es hier in Lissabon eigentlich Stammtische für Auslandsdeutsche, Treffen oder sowas? Sollte ich das mal recherchieren, da womöglich hingehen?
    „Nach München“, sagte der Mann. „Ich gehe für den Sommer auf eine Alm“.
    „Auf eine Alm?“, sagte ich.
    Genauso gut hätte er mir erzählen können, dass er auf den Mond fliegen würde. Almen gehören überhaupt nicht zu meiner Welt. Almen kenne ich nur aus den Heimatfilmen, die ich mir manchmal im Sonntagabendprogramm angesehen habe, als ich noch in Deutschland lebte und deutsches Fernsehen hatte. Vielleicht sollte ich mir eine Satellitenschüssel anschaffen, dachte ich, dann hätte ich auch hier deutsches Fernsehen. Das heutzutage noch jemand auf eine Alm geht – was wollte er da?
    „Käse machen“, antwortete der Mann, ich hatte anscheinend laut gedacht (kommt das vom Alleine-Leben? Das ist allerdings wirklich bedenklich). „Ich gehe für den Sommer auf die Alm und mache da Käse. Letztes Jahr habe ich sogar einen Preis bekommen.“
    „Echt?“, sagte ich. „Es gibt Preise für´s Käsemachen? Das wußte ich garnicht.“
    „Selbstverständlich gibt es das“, sagt der Mann. „Selbstverständlich.“
    Wahrscheinlich gibt es heutzutage Preise für alles, so wie es ja auch für alles einen Tag gibt. Der internationale Sprich-wie-ein-Pirat-Tag zum Beispiel ist am 19. September. Am 25. Mai ist der Handtuch-Tag, ein Gedenktag für Douglas Adams, der in seinem Roman Per Anhalter durch die Galaxis darauf hinweist, dass so ein Handtuch so ziemlich das Nützlichste ist, was man auf einer Reise in der Galaxis mit sich führen sollte. Vielleicht nicht nur in der Galaxis, übrigens. Ich weiß das alles, weil João mir mal einen Kalender mit diesen Gedenktagen geschenkt hat. Am Sprich-wie-ein-Pirat-Tag waren wir zusammen in Figueira da Foz am Meer, da haben wir den grauen Pullover gekauft und hatten eine gemeinsame Zukunft. Am Handtuch-Tag war er schon längst bei seiner Vivian und ich wieder Single. Merkwürdigerweise gibt es keinen Tag des Käses.
    „Und was zeichnet einen guten Käse aus?“, fragte ich.
    Ich machte einfach das Beste draus, ich saß ja eh hier und mußte warten, da konnte ich genauso gut was dazu lernen, der Mann schien sich ja auszukennen, hatte sogar seinen Käse-Oskar gekriegt, eine Art Alm-Award.
    „Da kommt viel zusammen“, sagte der Mann. „Es kommt auf die Qualität der Milch an, auf die Beschaffenheit des Grases, auf die Lagerung. Auf der Alm ist der Weg von Kuh zu Käse kurz, die Milch wird nicht viel rumgefahren, das ist ein großes Plus. Hygiene ist wichtig, natürlich, sehr wichtig sogar. Es ist ein Zusammenspiel von allem, Wissen, Können. Umfeld.“
    „Kühe“, sagte ich.
    „Ja“, sagte der Mann. „Natürlich. Die Kühe spielen natürlich auch eine große Rolle.“
    In Gedanken sah ich die lila Milka-Kuh auf einer grünen Almwiese, da sieht man, was das Fernsehen aus einem macht, ist vielleicht doch ganz gut, dass ich keine Satellitenschüssel habe.
    „Aber letzten Endes ist es einfach eine Geschmacksfrage“, sagte der Mann. „Das ist das einzige, worauf es wirklich ankommt. Entweder der Käse schmeckt, oder er schmeckt nicht.“
    Der Mann griff nach seinem Handgepäck. Es war kein normaler Carry-on oder moderner Rucksack aus Synthetik, wie ihn alle haben, sondern ein reichlich unförmiger Rucksack. Grüner schwerer Stoff, Leinen vielleicht. Lederriemen als Verschlüsse, völlig unpraktisch. Ein Rucksack wie aus einem Heimatfilm, passend zur Lederhose.
    „Tja, ich muss dann“, sagte er. „Mein Flug nach
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