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Knochenraub am Orinoko

Knochenraub am Orinoko

Titel: Knochenraub am Orinoko
Autoren: Cornelie Kister
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wieder grinste.
    Pedro grinste zurück. In ihm wuchs der Mut und er hoffte, dass sein Plan aufgehen würde. »So, und jetzt legen wir die Decken um.«
    Beide verschwanden sie unter den dunklen grauen Tüchern wie in Umhängen. Sie zurrten sie mit einigen Schnüren fest, damit sie beim Laufen nicht verrutschten, und zogen den Rand der Decke tief über ihr Gesicht, sodass von ihren Köpfen nichts mehr zu erkennen war.
    »Sieht ziemlich gruselig aus, was?«
    Doch Abasi antwortete nicht. Vielleicht fragte er sich für einen Moment, ob wirklich ein kopfloser Raya vor ihm stand.

Angriff kopfloser Rayas

    Fast lautlos tauchten Pedro und Abasi die Löffelruder ins Wasser. Es war gar nicht so einfach, zu zweit die schmale, lange Piroge zu steuern. Pedro hatte Mühe, mit Abasi im Gleichtakt zu bleiben, doch der junge Afrikaner stellte sich äußerst geschickt an.
    Abasi ist zwar ganz schön abergläubisch, dachte Pedro, und manchmal ein Angsthase, aber was das Leben im Dschungel anbelangt, ist er unschlagbar. Da macht ihm so leicht keiner was vor, nicht einmal Humboldt, obwohl der sich immer rühmt, alles zu wissen. Abasi war der beste Fährtenleser, den Pedro je gesehen hatte, und neulich hatte er sogar mit der bloßen Hand einen Fisch gefangen. Ohne Abasi wäre ich ganz schön aufgeschmissen, ging es Pedro durch den Kopf und er warf einen bewundernden Blick auf seinen neuen Freund.
    Während sie langsam über den Fluss glitten, band Pedro die Gürteltierknochen an eine Schnur. Die sollte sich Abasi umhängen, sie würden schauerlichschön klappern! Es war noch immer stockdunkel und man hatte Mühe, den Dschungel vom Himmel zu unterscheiden. Wie eine bedrohliche Wand baute er sich neben ihnen auf, so schwarz, dass alle Bäume, Sträucher und Büsche miteinander verschmolzen. Die beiden Jungen hatten keine Ahnung, wo genau sich das Dorf befand. Sie ruderten bereits eine ganze Weile flussaufwärts und hielten sich dicht am gegenüberliegenden Ufer. Niemand durfte sie entdecken! Sie mussten sich ganz vorsichtig anpirschen wie der Jaguar an seine Beute.
    Dann bemerkte Pedro, wie Abasi immer langsamer ruderte, schließlich hörte er ganz damit auf und ließ die Piroge durchs Wasser gleiten. Er drehte sich zu ihm um und Pedro erschrak für einen Moment, denn in der Tiefe der Kapuze konnte er Abasis Gesicht nicht erkennen. Es sah aus, als wäre dort ein großes, schwarzes Loch. Aber genauso sollte es ja auch sein! Als Abasi jedoch den Mund öffnete und Pedro zuflüsterte: »Ich riechen Rauch!«, erkannte er seine blendend weißen Zähne. Abasi deutete mit der Hand voraus.
    Pedro spähte in die angedeutete Richtung und tatsächlich, wenn er seine Augen enorm anstrengte, konnte er einige Hütten erkennen, die sich schemenhaftvor dem nachtschwarzen Wald abzeichneten. Sie sahen aus wie Käfer, die sich Schutz suchend unter die meterhohen Bäume duckten. Alles schien ruhig zu sein. Es brannte kein Feuer, zumindest konnte man von hier aus keines sehen.
    »Die schlafen wohl alle«, raunte Pedro.
    Ohne zu antworten, tauchte Abasi wieder das Ruder ins Wasser und lenkte die Piroge mit wenigen Zügen auf das Ufer zu, das an dieser Stelle bis zum Wassersaum mit Pflanzen überwuchert war. Dort im Dickicht konnten sie wunderbar ihr Boot verstecken.
    »Hier, häng dir die Knochen um«, forderte Pedro Abasi auf und reichte ihm die klappernde Kette. Abasi zuckte zurück. »Stell dich nicht so an, es sind nur die Knochen von dem Gürteltier. Nicht die aus der Höhle«, beruhigte Pedro ihn, doch Abasi zögerte. Hoffentlich lassen sich die Indianer auch so leicht täuschen!, dachte Pedro. Aber als er Abasi mit der Trommel in der Hand und der klirrenden Kette um den Hals betrachtete, das Gesicht tief verborgen in der Kapuze, lief ihm selbst ein Schauer über den Rücken. Abasi sah wirklich zum Fürchten aus. Pedro spürte, wie es in seinem Bauch vor Aufregung kribbelte.
    »Hör gut zu, Abasi«, wisperte er. Es war beruhigend, die eigene Stimme zu hören. Pedro bemühte sich, sie trotz seiner Nervosität so fest wie möglich klingen zu lassen. »Wir schleichen uns jetzt durch das Dickicht ans Dorf heran. Du weißt, was du zu tun hast, ja?«
    Pedro spürte Abasis Kopfnicken mehr, als dass er es sah. »Gut. Also, los jetzt!«
    In gebückter Haltung schoben sie sich vorsichtig durch das mannshohe Schilf. Plötzlich huschte etwas Schwarzes zwischen ihren Beinen hindurch, das Pedro zusammenfahren ließ.
    »Nur Wasserschwein«, hörte er Abasi hinter sich
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