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Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch
Autoren: Dick Francis
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kümmert euch wieder um eure eigenen Pferde. Es ist gleich Zeit fürs Morgentraining.«
    »Jawohl, Sir«, bekam ich zur Antwort. Widerwillig und mit einem letzten Blick über die Schulter gingen die Männer über den Hof zu ihren Schützlingen.
    »Himmel Donnerwetter!« sagte ich laut, aber ich kann nicht behaupten, daß es viel genützt hätte. Moonrock war das Reitpferd meines Vaters, ein erstklassiger, mittlerweile längst pensionierter Steeple-Chaser, den mein Vater für seine Verhältnisse ungewöhnlich gern hatte. In mancher Hinsicht der wertloseste Stallbewohner, aber auch der, dessen Verlust meinen Vater am meisten bekümmern würde. Die anderen waren außerdem versichert. Aber gegen schmerzliche Gefühle gab es ja sowieso keine Versicherung.
    Langsam trottete ich zu Moonrocks Box hinüber. Der ältliche Pfleger, der ihn versorgte, stand an der Tür; das Licht aus dem Stall fiel schräg über die tiefen Sorgenfalten in seiner Schildkrötenhaut und verwandelte sie in Gletscherspalten. Als er mich kommen hörte, drehte er sich um. Die Gletscherspalten verschoben sich wie in einem Kaleidoskop zu einem neuen Bild.
    »Nichts mehr zu machen, Sir. Er hat sich das Sprunggelenk gebrochen.«
    Ich nickte und wünschte, ich hätte es nicht getan. Dann ging ich hinein. Der alte Moonrock war an seinem gewohnten Platz angebunden. Auf den ersten Blick schien alles in Ordnung zu sein: Er drehte mir den Kopf zu, stellte die Ohren auf, und seine feuchten schwarzen Augen zeigten nichts als die übliche Neugier. Fünf Jahre im hellsten Rampenlicht hatten ihm eine Ausstrahlung gegeben, wie sie nur intelligente und äußerst erfolgreiche Pferde zu entwickeln scheinen, eine Art Bewußtsein ihrer eigenen Größe. Er wußte mehr über das Leben und über das Rennen als irgendeines der vielversprechenden Jungpferde im Haupthof. Moonrock war fünfzehn Jahre alt und seit fünf Jahren meinem Vater ein guter Freund.
    Die linke Hinterhand war vollkommen in Ordnung. Auf dieses Bein hatte er sein Gewicht verlagert. Die rechte Hinterhand schien er zu schonen.
    Er hatte geschwitzt: Auf Hals und Flanken zeigten sich dunkle Flecken. Im Augenblick wirkte er jedoch soweit ganz ruhig. Kleine Strohhalme hatten sich in seinem Fell verfangen, das ungewöhnlich staubig war.
    Etty Craig, die Futtermeisterin meines Vaters, stand neben ihm, tätschelte ihn beschwichtigend und sprach mit nüchterner Stimme auf ihn ein. Bekümmert wandte sie mir ihr freundliches, wettergegerbtes Gesicht zu.
    »Ich habe nach dem Tierarzt geschickt, Mr. Neil.«
    »Verflixt und zugenäht«, sagte ich.
    Sie nickte. »Armer alter Bursche. Man sollte eigentlich denken, er wüßte es besser – nach all den Jahren.«
    Ich gab ein zustimmendes Grunzen von mir, trat in die Box, strich Moonrock liebevoll über das feuchte, schwarze Maul und sah mir seine Hinterhand an – so gut ich das konnte, ohne ihn zu bewegen. Es gab absolut keinen Zweifel: Das Sprunggelenk war deformiert.
    Manchmal wälzte sich ein Pferd im Stroh seiner Box auf den Rücken. Hatte es dabei zu wenig Platz, um sich ganz umzudrehen, konnte es passieren, daß es sich in seiner Box festlegte und wie wild ausschlug, um freizukommen. Die meisten Verletzungen, die dabei auftraten, waren Abschürfungen und Zerrungen, aber es war auch möglich, daß ein Pferd sich so sehr verrenkte oder so heftig ausschlug, daß es sich ein Bein brach. Unglaubliches Pech, so etwas, aber es kam glücklicherweise nur selten vor.
    »Er lag noch auf dem Boden, als George reinkam, um die Box auszumisten«, sagte Etty. »George mußte erst ein paar von den Jungs dazurufen, um den alten Burschen in die Mitte der Box zu ziehen. Er ist ein bißchen langsam auf die Beine gekommen, sagt George. Und dann haben sie natürlich gemerkt, daß er nicht mehr laufen konnte.«
    »Verdammte Schande«, sagte George und nickte zustimmend.
    Ich seufzte. »Nichts mehr zu machen, Etty.«
    »Nein, Mr. Neil.«
    Während der Arbeitszeit nannte sie mich pflichtschuldigst Mr. Neil, obwohl ich als Kind einfach nur Neil für sie gewesen war. Besser für die Disziplin auf dem Hof, hatte sie einmal zu mir gesagt, und in Fragen der Disziplin würde ich ihr nie und nimmer widersprechen. Es hatte seinerzeit einen ziemlichen Wirbel in Newmarket gegeben, als mein Vater sie zur Futtermeisterin befördert hatte, aber, wie er ihr damals erklärt hatte: Sie war loyal und erfahren, würde keinerlei Unfug dulden und sich von niemandem auf der Nase herumtanzen lassen; sie hatte den
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