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Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch
Autoren: Dick Francis
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mir wirklich leid«, sagte der junge Tierarzt, nachdem er Moonrock volle drei Sekunden lang untersucht hatte. »Muß eingeschläfert werden, fürchte ich.«
    »Das Gelenk ist nicht vielleicht nur ausgerenkt?« erkundigte ich mich zaghaft. Ein letzter Strohhalm …
    Er warf mir einen kurzen Blick zu, in dem das ganze Verständnis des Experten für die Unwissenheit des Laien lag. »Das Gelenk ist zertrümmert«, sagte er lakonisch.
    Er tat, weshalb man ihn gerufen hatte, und der wunderbare alte Moonrock sackte still im Stroh zusammen. Als der Tierarzt dann seine Tasche wieder einräumte, sagte er: »Machen Sie kein so unglückliches Gesicht. Er hatte ein besseres Leben als die meisten. Und seien Sie froh, daß es nicht Archangel war.«
    Ich sah zu, wie sich sein draller Rücken mit erstaunlicher Geschwindigkeit entfernte. Dem Vater gar nicht so unähnlich, dachte ich. Nur schneller.
    Langsam ging ich ins Haus und rief den Abdecker an. Er komme sofort, sagte er munter. Und binnen einer halben Stunde war er da.
    Noch eine Tasse Kaffee. Ich setzte mich an den Küchentisch und fühlte mich noch immer miserabel. Entführungen bekamen mir nicht.
    Das Lot kam von der Heide zurück – ohne Etty, ohne den zweijährigen Hengst namens Lucky Lindsay, dafür aber mit einer langen schrecklichen Geschichte.
    Ich hörte mit wachsendem Entsetzen zu, wie mir drei Leute gleichzeitig erzählten, daß Lucky Lindsay drüben am Warren Hill plötzlich umgedreht war und den kleinen Ginge abgeworfen hatte, bevor er davongaloppiert war. Zuerst hatte es den Anschein gehabt, als wollte er nach Hause, aber dann war er in die Moulton Road eingebogen, hatte einen Mann vom Fahrrad geworfen und einer Frau mit einem Kinderwagen zu einem hysterischen Anfall verholfen. Endstation war schließlich der Glockenturm gewesen, wo er den Verkehr lahmlegte. Die Polizei, fügte einer der Jungen mit mehr Belustigung als Bestürzung hinzu, unterhielt sich zur Zeit mit Miss Etty.
    »Und der Hengst?« fragte ich. Denn Etty konnte auf sich selbst aufpassen, aber Lucky Lindsay hatte dreißigtausend Guineen gekostet und konnte das nicht.
    »Jemand hat ihn auf der High Street eingefangen, vor Woolworths.«
    Ich schickte sie wieder zu ihren Pferden und wartete auf Ettys Rückkehr. Ich brauchte nicht lange zu warten. Sie ritt Lucky Lindsay selbst und hatte einen kleinlauten und demoralisierten Ginge im Schlepptau, der auf einer ruhigen, dreijährigen Stute hinter ihr her trottete.
    Etty sprang aus dem Sattel und fuhr mit geübter Hand über Lucky Lindsays haselnußbraune Beine.
    »Nicht viel passiert«, sagte sie. »Er scheint hier einen kleinen Schnitt zu haben … hat er sich wahrscheinlich an der Stoßstange eines geparkten Wagens geholt.«
    »Nicht an dem Fahrrad?« fragte ich.
    Sie blickte auf und straffte sich. »Glaub’ ich nicht.«
    »Ist der Radfahrer verletzt?«
    »Ein bißchen mitgenommen«, gab sie zu.
    »Und die Frau mit dem Kinderwagen?«
    »Wenn jemand während der Morgenarbeit mit einem Baby im Wagen und einem Kleinkind an der Hand über die Moulton Road geht, sollte er auf durchgehende Pferde gefaßt sein. Das blöde Weib hörte überhaupt nicht mehr auf zu schreien. Was den Hengst natürlich endgültig aus der Fassung brachte. Gerade hatte ihn jemand eingefangen, aber bei diesem Geschrei riß er sich natürlich los und galoppierte in die Stadt …«
    Sie hielt inne und sah mich an. »Tut mir leid, das Ganze.«
    »Kann vorkommen«, sagte ich. Ich unterdrückte ein kleines, innerliches Lachen über die Position von Hengsten und Babys in Ettys Rangordnung. Nicht weiter überraschend. Für sie waren Hengste eben wichtiger als Menschen – und damit basta.
    »Wir waren gerade mit dem Kanter durch«, sagte sie. »Der Boden war in Ordnung. Wir sind das ganze Programm durchgegangen, das wir gestern zusammengestellt hatten. Und als wir gerade nach Hause reiten wollten, hat Lucky Lindsay Ginge abgeworfen.«
    »Ist der Hengst zuviel für ihn?«
    »Hätte ich eigentlich nicht gedacht. Er hat ihn schon früher geritten.«
    »Das ist deine Entscheidung, Etty.«
    »Dann gebe ich ihm jetzt für ein oder zwei Tage ein leichteres Pferd …« Fast ein Eingeständnis, daß es ein Fehler gewesen war, Ginge auf Lucky Lindsay zu setzen – für ihre Verhältnisse schon sehr viel. Sie führte den Hengst weg und übergab ihn seinem Pfleger. Jeder konnte vom Pferd fallen, jederzeit. Nur manchen passierte es eben öfter als anderen.
    Frühstück. Die Pfleger versorgten die Pferde,
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