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Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch
Autoren: Dick Francis
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lausiger Tag, und keine Aussicht auf Besserung.
    Ich ritt mit dem zweiten Lot auf die Heide und spürte dabei zum ersten Mal im Leben gewisse empfindliche Stellen, von denen ich bisher nicht einmal etwas geahnt hatte. Etty fragte, ob ich Zahnschmerzen hätte. Ich sähe so aus, sagte sie. Irgendwie leidend, sagte sie.
    Ich erwiderte, meine Backenzähne seien in bester Kampfform und ob wir nicht langsam mit dem Kantern anfangen wollten. Die Kanter wurden begonnen, betrachtet, begutachtet, wiederholt und diskutiert. Archangel, meinte Etty, würde für das Guineas bereit sein.
    Als ich ihr sagte, daß ich selbst als Trainer auf Zeit bleiben wolle, sah sie mich entsetzt an.
    »Aber das können Sie nicht.«
    »Du nimmst kein Blatt vor den Mund, Etty.«
    »Nun, ich meine … Sie kennen die Pferde nicht.« Sie hielt inne und versuchte es noch einmal. »Sie gehen kaum je zur Rennbahn. Sie haben sich nie dafür interessiert, von klein auf. Sie wissen nicht genug darüber.«
    »Ich komme schon zurecht«, sagte ich, »wenn du mir hilfst.«
    Aber das war nur eine geringfügige Beruhigung für sie, denn sie war nicht eitel und hatte ihre eigenen Fähigkeiten nie überschätzt. Sie wußte, daß sie eine gute Futtermeisterin war. Aber sie wußte auch, daß zum Training viele Dinge gehörten, auf die sie sich nicht so gut verstand. Solche Selbsterkenntnis war selten im Sport der Könige und seltener noch die Fähigkeit, sich damit abzufinden. Auf den Tribünen gab es immer Tausende von Leuten, die es besser wußten.
    »Wer wird die Nennungen machen?« fragte sie scharf, und ihre Stimme sagte deutlich, daß ich es nicht konnte.
    »Vater kann sie selbst machen, wenn es ihm etwas bessergeht. Er hat jede Menge Zeit.«
    Daraufhin nickte sie mit etwas mehr Überzeugung. Das Nennen der Pferde für die richtigen Rennen war die wichtigste Fähigkeit, über die ein Trainer verfügen mußte. Der ganze Erfolg und das Ansehen eines Stalls begannen mit den Nennungsformularen, in denen das Ziel für jedes einzelne Pferd nicht zu hoch gesteckt sein durfte und auch nicht zu niedrig, sondern genau richtig. Der größte Teil des Erfolgs meines Vaters beruhte auf seinem Urteil darüber, wo er ein Pferd nannte und wann er es laufen ließ.
    Einer der Zweijährigen tänzelte herum, schlug aus und traf einen anderen Zweijährigen am Knie. Die Pfleger hatten nicht schnell genug reagiert, um sie auseinanderzuhalten, und der zweite Hengst ging lahm. Etty beschimpfte sie kalt und befahl dem zweiten Pfleger, abzusteigen und seinen Schützling nach Hause zu führen.
    Ich beobachtete ihn, wie er dem Lot zu Fuß folgte; das Pferd zog bei jedem qualvollen Schritt den Kopf ein. Das Knie würde anschwellen und sich füllen und heiß werden, aber mit ein wenig Glück war es in einigen Tagen wieder in Ordnung. Wenn nicht, würde jemand den Besitzer darüber informieren müssen. Dieser Jemand würde ich sein.
    Das ergab ein totes und zwei verletzte Pferde an einem einzigen Morgen. Wenn es in diesem Tempo weiterging, würde es bald keinen Stall mehr geben, der den dicken Mann interessieren konnte.
    Als wir zurückkamen, fand ich einen kleinen Streifenwagen in der Einfahrt und einen großen Polizisten im Büro vor. Er saß auf meinem Stuhl, starrte seine Stiefel an und erhob sich entschlossen, als ich durch die Tür trat.
    »Mr. Griffon?«
    »Ja.«
    Er kam ohne Umschweife zur Sache.
    »Wir haben eine Beschwerde erhalten, Sir, daß eines Ihrer Pferde heute morgen auf der Moulton Road einen Fahrradfahrer umgeworfen hat. Außerdem hat sich eine junge Frau bei uns beklagt, daß selbiges Pferd ihr Leben und das ihrer Kinder gefährdet habe.«
    Er war ein Sergeant in Uniform, um die Dreißig, von kräftiger Statur und unerbittlicher Strenge. Er sprach mit der aggressiven Höflichkeit, die bei einigen Polizisten an Grobheit grenzt, und ich schloß daraus, daß seine Sympathie den Klägern galt.
    »Wurde der Fahrradfahrer verletzt, Sergeant?«
    »Meines Wissens nach hat er sich blaue Flecken zugezogen, Sir.«
    »Und sein Fahrrad?«
    »Das kann ich nicht sagen, Sir.«
    »Glauben Sie, daß eine … ähm … eine außergerichtliche Regelung möglich wäre?«
    »Das kann ich nicht sagen, Sir«, wiederholte er kategorisch. Auf seinem Gesicht spiegelte sich genau die negative Einstellung, die keine Sympathie und kein Verständnis zuläßt. Mir kam eines der Axiome, nach denen Russell Arletti lebte, in den Sinn: Hast du dienstlich mit Gewerkschaften, Presse oder Polizei zu tun, versuche
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