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Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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Küche.
    Jules Thomsen steht vor einem von vier Gasherden. Sie holt Bratwürste von einer Stange und legt sie in eine schwere gusseiserne Pfanne. Auf einem langen Tisch stehen die Teller, die zum Servieren fertig sind. Blutwurst geht heute gut. Aber auch diese sehr spezielle Bratwurst und etwas, das aussieht wie scharf marinierte Schnitzel. Und dann noch die Frikadellen, wie sie auch der Faller auf dem Teller hat. Was immer hier vorgeht, ich hoffe, dass er noch nichts gegessen hat.
    Auf einer zweiten Gasflamme steht ein großer Topf. In dem Topf köchelt ein dickes Ragout blubbernd vor sich hin. Was in den drei Öfen ist, kann ich nicht sehen. Aber ich kann es riechen: Da brät Fleisch.
    Jules sieht mich an. Sie nimmt die Hand ihrer Freundin, die kurz nach mir durch die andere Tür in die Küche gekommen ist. Die Freundin sieht mich auch an. Es sind genau fünfzehn Leute in dieser Küche, aber nur zwei wissen, was hier passiert ist. Ich beginne gerade, es zu begreifen.
    Ich stelle mich zu Jules und ihrer Freundin an den Herd. Sie sehen mich weiter unbewegt an. Sie wissen, dass ich ahne, was sie gemacht haben. Sie sehen mich an, wie Carla mich angesehen hat, als ich aus ihrem Keller gekommen bin. Halt dich da raus. Das ist meine Sache.
    »Hey, Jules«, sage ich.
    Sie antwortet nicht. Sieht mich nur an, die eine Hand an ihrer Pfanne, die andere an ihrer Freundin. Der sie geholfen hat. Sie musste ihr helfen, weil sie ihre Freundin ist. Das ist doch immer die Frage in Freundschaften: Wenn ich einen umgebracht habe, hilfst du mir? Und nun war das eben so. Die Freundin hat einen umgebracht. Vielleicht aus Versehen, vielleicht hat sie sich auch nur gewehrt. Vielleicht war’s auch kein Versehen. Vielleicht hat’s ihr einfach gereicht. Immer diese Blicke. Immer dieses Gequatsche. Das Gegrapsche. Diese hohle Überzeugung all der Holzköpfe, dass sie doch im Grunde ihnen gehört. Dass sie einfach mit ihr machen können, was sie wollen. Vielleicht war es so. Und dann war da plötzlich eine Leiche, und die Leiche musste verschwinden. Und dann noch eine, und dann noch eine. Bei der dritten hat Jules sich geweigert, warum auch immer. Die Nerven verloren. Angst gekriegt. Aber die ersten beiden sind weg. Bis auf das, was man nicht verwenden kann. Was auffällt in einer Küche. Was die Schweine nicht fressen würden, weil sie es als Teil ihrer selbst erkennen würden. Hände, Füße, Köpfe. Oder sind Schweine da gar nicht so empfindlich? Hätten sie’s vielleicht sogar gegessen? Mir wird wieder flau im Magen. Ich versuche mich zusammenzureißen.
    »Sie haben mich gestern gefragt, ob ich meinen Job mag«, sage ich. »Erinnern Sie sich?«
    Sie nickt. Sie gehört ins Gefängnis, beide gehören sie ins Gefängnis, das weiß sie. Ich weiß das natürlich auch, aber irgendetwas ganz hinten in meinem Hirn, in dem Teil, der uralt ist, der mehr fühlt als denkt, sagt mir, dass das nicht richtig wäre. Das es ungerecht wäre. Dass die beiden Frauen in dieser Küche die Guten sind, und die Schweine, die sitzen draußen im Restaurant. Oder liegen auf den Tellern. Ich konzentriere mich auf die Augen von Jules, ich schaue geradeaus, so gut es geht, damit ich nicht spucken muss. Ich hole tief Luft, dann beuge ich mich ein bisschen zu den beiden Freundinnen, so dass sie mich verstehen, auch wenn ich gleich sehr leise reden werde. Die anderen Leute in der Küche ignorieren mich, ich glaube, sie bemerken mich nicht mal. Die Arroganz der Arbeitenden.
    »Ich bin Staatsanwältin«, sage ich, »und es gibt manchmal Situationen, da bin ich das nicht gerne.«
    Jules lässt die Pfanne los und hält sich am Herd fest. Ihre andere Hand hält weiter die Hand ihrer Freundin.
    »Zum Beispiel«, sage ich, »wenn mir einfällt, dass ich dringend mal wieder abhauen sollte. Weit weg. Wenn mich plötzlich die Lust packt, Ferien in Rio zu machen oder in Buenos Aires oder in Mexico City. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich so weit weg möchte, dass mich keiner findet. Dann kann ich das nicht einfach machen. Das geht nicht so spontan, im Staatsdienst. Da muss man den Urlaub immer lange vorher beantragen, dann muss das genehmigt werden, und dann ist es meistens schon zu spät, dann ist mein plötzliches Reisefieber vorbei. Das nervt mich gewaltig. Ich wünschte, ich hätte da mehr Möglichkeiten. Gerade jetzt, wo das Wetter umschlagen soll. Ich hab gehört, dass es richtig ungemütlich werden könnte in Hamburg. Wer kann, sollte sich so schnell es geht vom Acker
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