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Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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ist, wenn Männer einen so ankucken. Mich kucken die nie so an. Vor mir haben die Typen immer eher Angst.
    Am anderen Ende des Raumes geht die Schwingtür zur Küche auf, und ich sehe, wie Jules Thomsen herauskommt. Sie bleibt dicht vor der Schwingtür stehen und schaut angestrengt in den Raum. Sie scheint jemanden zu suchen. Und dann ist die Kellnerin mit den Locken bei ihr, und in diesem Moment schnalle ich das erst, dass sie die Frau von letzter Nacht sein muss, die Freundin von Jules, die so reingerauscht kam und so aufgebracht war. Man sieht sofort, dass die Frauen befreundet sind. Sehr eng befreundet. Da ist Vertrauen und Seele zwischen den beiden, es liegt in der Art, wie sie sich ansehen und miteinander reden und sich dabei immer wieder beiläufig an den Händen fassen. Liebevoll, vorsichtig, mit großem Verständnis füreinander. Mir wird ganz warm um die Augen, wie ich die beiden so ansehe.
    »Die Blutwurst für die Dame«, sagt Bengt, »und die Knastpralinen für den Herrn. Bitte schön.«
    »Danke«, sagt der Faller.
    Und in dem Augenblick, als die Teller mit dem Essen vor uns auf dem Tisch stehen, passiert etwas in meinem Kopf. Es fühlt sich an, als würde in einem großen Schaltkreis eine Sicherung nach der anderen eingeschaltet und dabei hell aufleuchten. Als würde mir endlich ein Licht aufgehen. Es geht einerseits verflucht schnell, andererseits auch ganz in Ruhe Stück für Stück, eins nach dem anderen, zack, blitz, zack, blitz, zack, blitz. Da knallen Bilder durch meinen Kopf. Die toten Gesichter von Dejan Pantelic und Jürgen Rost, die Hände, die Füße, fein säuberlich verpackt. Das arrogante Söhnchen von Lell. Der Brückner, wie er sagt, dass die drei Männer Frauen respektlos behandelt hätten. Der Tritt, mit dem die Männer gestorben sind. Das blondgelockte Haar im Schopf von Dejan Pantelic. Die katzenhafte Körperspannung der Kellnerin. Ihre Wut von gestern Nacht. Die Wut von Jules Thomsen. Diese Verachtung, die sie für ihre Gäste empfindet. Und die Zartheit, mit der sie Carlas Verletzung erkannt hat. Als wüsste sie um solche Dinge. Und dann dieses Essen. Fleisch.
    Lupara Bianca hat der Calabretta das genannt. Die Leiche verschwinden lassen, indem man sie den Schweinen zum Fraß vorwirft.
    »Faller«, sage ich.
    Er sticht mit der Gabel in seine Frikadelle und schneidet ein Stück ab.
    »Sieht wirklich fabelhaft aus«, sagt er.
    »Faller«, sage ich, »nicht essen.«
    »Warum nicht? Deshalb sind wir doch hier, oder?«
    »Vielleicht spinne ich«, sage ich, »vielleicht spinne ich total, aber bitte, bitte, nicht essen.«
    Ich versuche, die Blutwurst auf meinem Teller zu ignorieren, aber es ist, als würde sie sich unaufhörlich in mein Gesichtsfeld schieben, als würde sie mich zwingen, sie anzusehen. Mir wird kotzübel. Ich springe auf und sprinte in Richtung Toiletten, der Raum um mich herum verschwimmt vor meinen Augen und dreht sich, ich halte mir die Hand vor den Mund und schaffe es gerade noch bis zur Kloschüssel, und dann ist es überhaupt nicht schön. Mein Körper dreht sich auf links. Ich spucke Bauklötze.
    Als es vorbei ist, kratze ich mich von den bunten Design-Fliesen, stütze mich aufs Waschbecken und erschrecke, als ich die Frau im Spiegel sehe. Ich sehe aus wie ein altes Gespenst. Ich wasche mir das Gesicht mit kaltem Wasser und versuche, die finsteren Ringe unter meinen Augen mit den Fingern wegzuwischen. Und ich versuche, das Durcheinander in meinem Kopf zu sortieren.
    »Du irrst dich«, sage ich zu meinem Spiegelbild. »Das kann nicht sein.«
    Ich atme tief durch, streiche mir noch mal die Haare aus der Stirn. Und während ich zurück ins Restaurant gehe und darüber nachdenke, ob ich dem Faller von meinem Verdacht erzählen soll oder ob das einfach zu irre ist, fällt mir diese Tür auf, in dem langen, rotgestrichenen Gang. Staff only. Kein Durchgang.
    Die Tür ist auf. Hinter der Tür ist ein Innenhof mit einem gepflasterten Weg, einer kleinen Rasenfläche und ein paar Bambusstöcken. Auf dem Rasen sind runde, wie vom Wasser geschliffene Felsbrocken verteilt. Sie haben genau die richtige Größe. Der Weg führt zu einem Schiebegitter. Hinter dem Gitter steht ein Müllcontainer. Das Gitter ist abgeschlossen, aber ich kann drüberklettern. Ich schiebe den Müllcontainer auf. Der ist bis zum Rand voll mit dicken, schwarzen Müllsäcken.
    Ich mache den Container wieder zu und klettere zurück in den Hof. Da ist noch eine zweite Tür. Die Tür führt direkt in die
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