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Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Titel: Klotz Und Der Unbegabte Moerder
Autoren: Christian Klier
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sich nun entfernen und auch zukünftig fernbleiben möge. Bevor Klotz in einen Tobsuchtsanfall hatte verfallen können, hatte der Anwalt höflich, aber bestimmt hinzugefügt, dass es doch für beide Seiten unangenehm wäre, wenn Klotz des Missbrauchs an seinem Sohn verdächtigt werden würde. Vermutlich hätte ein solcher Vorwurf auch direkte Auswirkungen auf seine Laufbahn als Beamter, von der Schädigung seines bislang halbwegs guten Rufes ganz zu schweigen.
    Klotz war so baff gewesen, dass er geschwiegen hatte.
    Einen Moment lang hatte er nur das unbeschwerte Kindergeschrei, das aus der Wohnung drang, wahrgenommen und schließlich begriffen, dass er und Frederik dessen zwölften Geburtstag getrennt voneinander feiern würden. Und in eben diesem Augenblick, als er diese Einsicht hatte, knallte die Tür vor seiner Nase zu und hauchte dem Ganzen – physisch durchaus spürbar – etwas Unabänderliches ein.
    Es war ihm nichts anderes übrig geblieben, als wieder zu gehen. Nicht einmal sein Geschenk hatte er Frederik überreichen können. Als er die Innere Laufer Gasse erreicht hatte, war er dann in eine lateinamerikanische Bar gegangen, mit dem festen Vorsatz, den Rest des Tages im Alkohol zu ertränken. Was ihm ja auch hervorragend gelungen war. Wenigstens eine Sache, die funktioniert hatte, stellte er mit der für ihn typischen, ironischen Süffisanz fest, als er den Platz hinter der Lorenzkirche erreichte.
    Er war gestürzt, war in die Fahrräder gestolpert, die vor der Sparkasse abgestellt waren. Das metallene Klackern und Rasseln, das die Räder von sich gegeben hatten, als sie wie Dominosteine umgefallen waren, hatte ihn aufgerüttelt. Er versuchte, seine Chancen einzuschätzen, unbeschadet nach Hause zu kommen. Er war nun einmal stockbesoffen, da biss die Maus keinen Faden ab.
    Klotz sah sich um. Da drüben waren die HypoVereinsbank, ein Café, die Bayerische Landesbank, in seinem Rücken die Sparkasse. Ein paar Meter von ihm entfernt noch eine Bank, allerdings wesentlich einladender als die zuvor taxierten. Sie war um einen Baum gewunden, war wie dieser aus Holz, und auf ihrer Lehne hatte ein vorausschauender Bürger eine Einladung verfasst, die Klotz augenblicklich auf sich bezog. Bullenschweine!
    Er stand auf, legte sich auf die Bank, schloss die Plastiktüte samt Inhalt in seine Arme. Kurz bevor er einschlief, bemerkte er noch, dass er lächelte.
    Es war der Geruch, der ihn weckte. Ein Geruch, der nicht passte. Ein beißender Gestank, der ihn an Bauernhof erinnerte. Wo war er? Was war geschehen? Über ihm befanden sich Zweige und Blätter, die langsam aus einem heller werdenden Himmel heraustraten. Es dämmerte. Er blickte etwas zur Seite. Sonnenstrahlen trafen auf den oberen Teil der Rückseite von Sankt Lorenz. Jetzt dämmerte es auch ihm. Doch wo kam dieser stechende Mief her?
    Er fühlte sich kraftlos, vollkommen erschöpft. Als er sich aufrichtete, begann sich plötzlich alles zu drehen. Er musste husten. Gleichzeitig stellte sich ein Brechreiz ein, den er nur mit Mühe niederrang.
    Er blickte auf und sah einen riesigen Misthaufen, der vor dem Eingang der Sparkasse ungeniert vor sich hindampfte. Daneben stand ein Anhänger, der an einem Traktor hing. Ein Mann mit grünen Gummistiefeln stieg an der Seite des Traktors hoch, öffnete die Tür, setzte sich auf den Fahrersitz und ließ den Motor an. Irgendwie hatten die Bewegungen des Mannes etwas Beherztes an sich, dachte Klotz, als der Trecker plötzlich in einer Art Kavaliersstart nach vorn schnellte und mit Vollgas den Lorenzer Platz verließ. So etwas würde er sich auch mal für sich wünschen, so eine Entschiedenheit, solch einen Mut. Mit einem Mistkarren vor die Kanzlei dieses Dr. Höderlein fahren und die ganze Scheiße dort abladen. Am besten auf Höderleins teures Auto oder besser noch auf ihn selbst, auf sein weißes Hemd und die noble Seidenkrawatte. Das hätte er verdient, dieses Arschloch. So eine Aktion, das wäre besser als Saufen, dachte er, das hätte etwas ultimativ Befreiendes an sich. Dieses elende Joch, das man sich endlich von seinen Schultern zu schütteln traut, auch wenn man dabei seinen guten Ruf verliert und den Job aufs Spiel setzt. Das wäre echter Mut, furchtlos und ohne Angst vor irgendwelchen Konsequenzen. Ob er jemals zu solch einer Handlung fähig wäre?
    Klotz stand auf. Er überlegte, wie er das Werk des Misthaufenkünstlers angemessen würdigen könnte. Seine Blase, die plötzlich jäh drückte, gab ihm eine
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