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Klotz, Der Tod Und Das Absurde

Titel: Klotz, Der Tod Und Das Absurde
Autoren: Christian Klier
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-Karte wieder. »Aber anscheinend ist er ja viel zu clever für unsere Polizei,
oder? Na ja, vielleicht läuft er dafür mal einem von uns vor die Motorhaube,
ich fahr jetzt auch nach Coburg hoch … also servus, schönen Abend noch!«
    Er grinste, als er sich in den
Fahrersitz fallen ließ. Endlich schien er in seiner Hosentasche gefunden zu
haben, wonach er die ganze Zeit gesucht hatte. Verstohlen musterte er auf der
Handfläche das Objekt seiner Begierde.
    Ein unscheinbares, kleines
Schmuckstück.
    Ein silberner Frauenohrring, bräunlich
verkrustet.

Samstag, 20:32 Uhr / Coburg
    Abendsonne tauchte die
Türme und Giebel Coburgs in tiefes Orangerot. Erwartungsfroh schoben sich
Menschenmassen über das Kopfsteinpflaster der Altstadt, magisch angezogen vom
dumpfen Hämmern der Samba-Trommeln auf dem Schlossplatz und dem Markt. In den
Engstellen der Theatergasse, der Herrngasse und der Großen Johannisgasse kam es
immer wieder zum Stillstand. Zentimeterweise drückte man sich aneinander
vorbei.
    Was für ein Paradies für
Frotteure und andere Kranke, dachte Charly. Direkt hinter dem Zeughaus wurde er
heftig gegen den fülligen Po einer dauergewellten, blondierten Endvierzigerin,
Typ Avon-Beraterin, gepresst. Als sie den Kopf drehte, hob er bedauernd die
Brauen und mimte routiniert den leicht Verlegenen. Sie lachte aus einem
unglaublich breiten, tiefrot angemalten Mund und setzte zu einer Erwiderung an,
die sofort vom furiosen Intro der »Grupo Samba Total« verschluckt wurde, die
wenige Schritte weiter eine spontane Session am Salzmarkt eröffnete.
    Mit einem schnellen Sidestep
nutzte Charly eine winzige Lücke und huschte über die Schwelle der »KostBar«.
Er atmete tief durch, als er in das spärlich besetzte Lokal trat. Statt lauter,
harter Samba-Rhythmen plötzlich Weichspülersound von Santana:
    »Oye como va, mi vida, oye
como va …«
    Drei gelangweilte Muttis rund um
einen Stehtisch; brave C&A -Blusen,
eng gewordene Jeanshosen. Betont achtlos blickten sie sofort wieder an ihm
vorbei, bliesen hingebungsvoll ihren Zigarettenrauch Richtung Zimmerdecke.
    Am Tresen, direkt unter dem
lautlos rotierenden Deckenventilator, ein südländischer Jungmacho, das
pechschwarze Haar mit Gel gebändigt und zum Zopf gebunden. Leise, aber
sichtlich erregt diskutierte er mit einem kleinen, untersetzten Bodybuildertyp: Ungesunde Blässe, breite Boxernase und hellgraues Muskelshirt mit schwarzem
Puma-Aufdruck. Hohe Wangenknochen und auffallend schmale Augen, registrierte
Charly. Typisch russisch.
    »Hey, Charly, altes Haus!«
    Bernhard Winter stand vor ihm,
grinste übers ganze Gesicht.
    »Servus, Bernie! Ewig nicht mehr
gesehen!« Erfreut boxte ihn Charly auf den Oberarm.
    Winter, ehemaliger
Kriminaloberkommissar, war jahrelang im K 1 auf demselben Flur wie Charly tätig gewesen. Vor vier Jahren hatte er
dann, mit einundvierzig, überraschend den Dienst quittiert. Im Kollegenkreis
war damals gemunkelt worden, Winter, dessen gute Kontakte ins Coburger
Rotlichtmilieu schon sprichwörtlich waren, sei damit nur einem drohenden
Disziplinarverfahren zuvorgekommen. Bei seinem »Ausstand«, einer legendären Party
im »Hotel Festungshof« an der Veste Coburg mit einhundertfünfzig Gästen,
Go-go-Girls und der Saragossa Band, hatte er sich öffentlich über »eine größere
Erbschaft« seiner Frau gefreut: Sie ermögliche es ihm, künftig auf eigenen
Füßen zu stehen. In den letzten vier Jahren hatte Winter dann den größten
privaten Sicherheitsdienst der Region Coburg, »Se CO rity«, aufgebaut.
    »Wie geht’s, Alter? Laufen die
Geschäfte?«
    »Bestens, Junge, bestens!«,
strahlte Winter. »Je mehr Polizisten München bei uns streicht, umso besser für
uns Private!« Schneeweiße Jacketkronen, zerknitterte Turbobräune, frisch
blondierte Strähnen.
    »Du siehst langsam wirklich wie
der Vater von Dieter Bohlen aus«, frotzelte Charly.
    »Pass auf, wenn ich dich hier
vorsingen lasse!«, konterte Winter in gespielter Entrüstung.
    »Oye como va« , stimmte Charly ungeniert an, »mi ritmo, oye
como va!«, fiel Winter sofort
lauthals ein.
    Indignierte Blicke aus der
Damenecke.
    »He, ihr Spaßbremsen da drüben!
Kommt doch mal rüber!«
    »Lass mal lieber«,
beschwichtigte ihn Charly, »die sehen aus wie Elternbeiräte an der Grundschule,
die brauchen noch zwei, drei Jahre, bis sie wieder richtig locker sind! Komm,
wir gehen lieber mal rauf zum Schlossplatz!«
    »Aye, aye, Sir!« Winter fingerte ein paar Münzen aus der Tasche
und
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