Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Klotz, Der Tod Und Das Absurde

Titel: Klotz, Der Tod Und Das Absurde
Autoren: Christian Klier
Vom Netzwerk:
absolute Ekstase! Der pure Sex. Unfassbar, was in
Coburg heute Nacht wieder abgeht – wir sind der Nabel der Welt!
    Die dunkelblonde Studentin saß
zwei Steinwürfe weiter im Hofgarten, dem Landschaftspark, der sich über den
Schlossplatz-Arkaden an die Hänge des Festungsbergs schmiegt. Hingerissen
lauschte sie zum Schlossplatz hinunter, der unter den brasilianischen
Perkussionskaskaden förmlich zu vibrieren schien … oder war es nur der
Caipirinha, der durch ihre Adern rauschte?
    Entspannt ließ sie sich wieder
ins warme Gras zurücksinken. Ihre Lippen schmeckten immer noch leicht salzig.
Was für ein geiler Tag: von Alex im »Carrera« abgeholt, den ganzen Abend
Samba-Party und jetzt den coolen Porschefahrer endlich mal ganz privat ins
Schwitzen gebracht …
    This … could be the first …
day of my life …!
    Wo Alex bloß so lang blieb?
    »Muss mal kurz austreten«, hatte er ihr vorhin ins Ohr gewispert und
war ein Stück weiter hinter den großen, dunklen Büschen verschwunden.
    Jasmin blickte sich suchend um.
    Das Wiesenstück, das sie von ihrem Platz aus überblicken konnte,
hatte sich geleert. Auch das Hippiepärchen, das dort drüben unter der Douglasie
gelegen und sich unter seiner Decke stundenlang wie in Zeitlupe bewegt hatte,
war nicht mehr da. Weiter oben, wo die Milchgesichter in ihren Skatershorts und
Basecaps zusammengesessen hatten, steckten jetzt nur noch leere Flaschen – auf
Stöcken, die in den Rasen gespießt waren. Sogar Bocksbeutel waren dabei. Im
blassen Mondlicht erinnerten sie Jasmin plötzlich an ein längst vergessen und
verdrängt geglaubtes Bild: »Aufgespießte Schrumpfköpfe bei Indianern im
Amazonasgebiet«.
    Vor keinem anderen Bild im Lexikon ihres Großvaters hatte sie sich
als kleines Mädchen so gefürchtet. Sie sah sich wieder auf seinen Knien sitzen,
mit ihm das Lexikon durchblättern, hörte sein tiefes, gespielt überraschtes
Lachen, wenn die Seite mit den Schrumpfköpfen kam und sie sich die Händchen vor
die Augen schlug und trotzdem immer wieder wie gebannt durch ihre Finger linsen
musste …
    Aufgespießte Schrumpfköpfe – und aus dem Hintergrund der dumpfe
Sound der Sambatrommeln … sie schauderte kurz und ärgerte sich gleich darauf
über ihre absurden Assoziationen.
    Mit einem Ruck setzte sie sich auf. Auch ihre Blase machte sich
jetzt bemerkbar.
    Sie schlüpfte in ihre nagelneuen, strassbesetzten Pantoletten –
»Dolle Schläbble, Marke ›Boxenluder‹?«, hatte Alex gefeixt – und erhob sich.
Vom Festungsberg zog eine kühle Brise herab. Jasmin warf die lange blonde Mähne
in perfekt einstudierter Pose nach hinten. Mit verschränkten Armen, die
gläsernen Schrumpfköpfe keines Blickes würdigend, stakste sie vorsichtig über
den Rasen, lugte um die große Buschreihe herum.
    Nichts.
    Kein Alex.
    Weit und breit keine Menschenseele.
    Irritiert und leicht verärgert blickte sie sich um.
    Hatte sich Alex allen Ernstes aus dem Staub gemacht? Unten, auf dem
Schlossplatz, tobte das Leben. Hier oben, hinter diesen großen, dunklen
Büschen, schien alles düster, still und seltsam fremd.
    Müsste dort hinten nicht eigentlich ein Spielplatz sein? Ich kenne
mich hier einfach zu wenig aus, dachte Jasmin. Seit ihrem Studienbeginn in
Coburg im letzten Wintersemester war sie nur ein einziges Mal im Hofgarten
gewesen. Egal! Ihre Blase meldete sich immer heftiger. Sie kehrte dem Buschwerk
den Rücken zu, knöpfte ihre Jeans auf, zog mit geübtem Griff Hose und Tanga
unter die Knie herab und ging in die Hocke.
    Urplötzlich ein scharfes, krachendes Knacken – direkt hinter ihr.
    Zu Tode erschrocken fuhr Jasmin in die Höhe, stolperte fast, fing
sich wieder, drehte sich entsetzt herum, versuchte, Slip und Hose nach oben zu
reißen.
    »Alex?? Bist du des? … Mach kan Blödsinn!«
    Sie starrte angstvoll in das dunkle Gebüsch.
    War ihnen doch der merkwürdige Russe vorhin gefolgt, hatte sich hier
versteckt – und sie die ganze Zeit beobachtet?
    Mit zitternden Fingern zerrte sie an ihren Jeans, den Blick atemlos
auf das unheildrohend schwarze Buschwerk gerichtet.
    Scheiß auf die Knöpfe, scheiß auf die Schläppchen, nichts wie rüber,
dort drüben muss doch der Fußweg …
    Zu spät!
    Der ganze Busch krachte und zersplitterte.
    Wie ein riesenhafter Panther sprang der Schatten sie an, warf sie
wuchtig zu Boden. Brutal presste sich eine Hand auf ihren Mund, erstickte
erbarmungslos ihren entsetzten Schrei. Voll wilder Todesangst bäumte Jasmin
sich auf – und hatte doch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher