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Klostergeist

Titel: Klostergeist
Autoren: Silke Porath
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erwartete ihn doch, so hoffte er inständig, ein Leben im Paradies – ließ die vergangenen Tage Revue passieren. Dann entschuldigte er sich wortreich bei seinem Herrn für die nicht gehaltenen Gebete und ausgefallenen Andachten, gelobte feierlich, dies mit dem Beten von 50 Rosenkränzen spätestens bei den nächsten Exerzitien wieder wettzumachen, und stieg aus.
    Es dauerte fast fünf Minuten, ehe Marlies Engel ihm öffnete. Pius spürte die Novemberkälte, die seine Kleidung durchdrang. Das Gewicht auf den linken, schmerzfreien Fuß verlagert, harrte er vor der Haustür aus. Drinnen dudelte ein Radio, also musste jemand da sein.
    »Ach, Sie sind es.« Marlies Engel schien nicht gerade begeistert zu sein vom Besuch des Paters. Hinter ihr entdeckte Pius im Flur aufgereiht drei große Koffer.
    »Wollen Sie verreisen?«
    »Wie?« Marlies Egel fuhr sich durch das Haar. »Ja, ach so, mal raus, Abstand gewinnen.«
    »Darf ich kurz reinkommen?«
    »Bitte«, antwortete die Witwe und ließ den Pater unwillig eintreten.
    Erst jetzt fiel Pius auf, dass Frau Engel nicht in Schwarz gekleidet war. Nun gut, dachte er, jeder trauert anders.
    »Ich wollte eigentlich zur anderen Frau Engel«, setzte er an.
    »Evelyne ist nicht bei mir, da kann ich Ihnen auch nicht helfen«, sagte Marlies. Dann besann sie sich offensichtlich ihrer guten Kinderstube: »Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«
    »Sehr gerne.« Pius strahlte bei der Aussicht, sich in die weichen Sesselpolster fallen zu lassen und den malträtierten Zeh von sich strecken zu können. Und der Kaffee aus der neuen Maschine wäre sicher ein Gaumenschmaus.
    »Ich komme gleich«, sagte Marlies Engel und dirigierte Pius ins Wohnzimmer.
    Der Pater humpelte in die gute Stube. Auf dem Couchtisch türmten sich aufgeschlagene Aktenordner und lose Papiere. Fast die Hälfte der Couch war bedeckt mit Beileidskarten – keine einzige war geöffnet worden, alle steckten noch in den verschlossenen Umschlägen mit dem schwarzen Trauerrand. In der Küche ratterte das Mahlwerk des Vollautomaten. Pius schob vorsichtig einen Packen Blätter beiseite und stieß dabei mit dem Hintern an einen anderen Stapel. Raschelnd fiel das Papier zu Boden.
    »Auch das noch«, stöhnte der Pater und bückte sich, um die Zettel wieder aufzuheben. Sein Blick fiel auf einen prallen Umschlag, aus dem die Ecke einer 500-Euro-Note herauslugte. Solch große Scheine bekamen sie da oben im Kloster selten zu sehen. Pius griff nach dem Umschlag und linste hinein: Ein ganzer Packen 500er wog schwer in seinen Händen.
    »Lassen Sie das sofort los.« Marlies Engels Stimme überschlug sich, als sie die Kaffeetasse auf den Esstisch knallte. Die schwarze Brühe schwappte über.
    »Finger weg von meinen Sachen!«
     
    Radio Donauwelle mit einer Eilmeldung aus unserer Verkehrszentrale: Zwischen Tuttlingen und Möhringen ist die Bundesstraße gesperrt, nachdem ein Lastwagen in eine Schafherde geraten ist. Wir melden es, wenn die Strecke wieder freigegeben wurde. So lange müsst ihr euch mit ›Hurt‹ von den Nine Inch Nails trösten.
     
    »Halten Sie es für klug, hier aufzutauchen?«, herrschte Thorben Fischer Arthur Hafen an. Seine Laune hatte den Nullpunkt erreicht. So nah an Verena dran – und doch so weit weg. In seiner Stimme schwang mehr Kälte mit, als das Thermometer aktuell anzeigte.
    »Ich habe nichts zu verbergen.« Der Schuhhändler reckte trotzig das Kinn vor.
    »Was noch zu beweisen wäre«, entgegnete Verena und bahnte sich den Weg an Hafen vorbei. Der Lärm auf der Baustelle verstummte, als der Vorarbeiter die Kommissare anmarschieren sah. Der Bohrhammer kam tuckernd zum Stillstand. Verena lief zum ausbetonierten Schwimmbecken. Der Vorarbeiter und seine Männer nickten stumm und winkten zum Gruß. Dann schüttelte der Chef der Truppe den Kopf. ›Nichts drin‹, verhieß seine Miene. Verena stockte der Atem. Langsam trat sie zum Rand des Beckens und blickte hinein. Alle 80 Zentimeter hatten die Arbeiter den Beton aufgesprengt. Die Bodenplatte sah aus wie ein löchriger grauer Käse.
    »Do isch koin Müll net vergraba!«, rief der Mann, der den Bagger bediente. Verenas Knie begannen zu zittern. Wie, um Himmels willen, sollte sie die Zerstörung des Freibades rechtfertigen? Im Kopf überschlug sie die gewaltige Summe an Baukosten, die die Wiederherstellung der Betonplatte verursachen würde. Verena konnte nur auf das Verständnis und den Rückhalt aus Stuttgart hoffen – das Landeskriminalamt würde sich, das
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