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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger
Autoren: Jane Austen
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gekommen ist, und er bringt damit zugleich seine Tochter und seinen Sohn in ärgste Verlegenheit. Dass er in Wirklichkeit selbst getäuscht worden ist, weil John Thorpe in seiner Angeberei Catherines Vermögensverhältnisse maßlos übertrieben hat, ändert an der Sache selbst nichts, macht aber auch ihn zum Opfer der wahren Schrecken der modernen Zeit: Jagd nach dem Geld, Lüge, Eitelkeit, Rücksichtslosigkeit, Selbstbetrug, Gedankenlosigkeit, Egoismus bilden die wirklichen Gefahren, nicht die in den gotischen Romanen ausgemalten Horrorszenen der Vergangenheit. Kloster Northanger hat durchaus unheimliche Züge, aber nicht, weil irgendwo ein paar Skelette von zu Tode gemarterten Menschen versteckt liegen, ein nächtliches Gespenst in der Ahnengalerie herumlärmt oder ein Montoni Catherine mit zynischem Lächeln die Unschuld rauben will, sondern weil der gegenwärtige Besitzer seine menschlichen Pflichten vernachlässigt. Dieser Schrecken ist wirklich, nicht eingebildet. Jane Austen ist dabei von Anfang an bemüht, General Tilney die tyrannischen Züge zu geben, die Catherine auf die falsche Spur lenken und ihre Scheu vor ihm deutlich werden lassen. Dass seine autoritäre Stellung in der Familie durch den Mut seines Sohnes Henry gebrochen wird, ist in den Augen der Autorin sicher ein emanzipatorischer Akt, ein Stück Überwindung von Mängeln innerhalb der Gesellschaft ihrer Zeit. Es gehört zu diesem Entwurf, dass in Henry Tilney
eine
Person zugleich die gotischen Schauer überwindet, in denen Catherine befangen ist, indem er ihr nach ihrem »Ausflug« in die leerstehenden Zimmer seiner toten Mutter freundlich den Kopf zurechtrückt und sie darauf aufmerksam macht, dass sie im England des 18. Jahrhunderts, in einem von Gesetz und Sitte regierten Land, und nicht im Mittelalter leben, und indem er sich die Unabhängigkeit von der väterlichen Gewalt erkämpft; beides gehört zusammen, denn beides sind Elemente einer richtig verstandenen Aufklärung. Catherine wird derweil durch ihre eigene Scham von den Exzessen ihrer Phantasie geheilt.
    Dieses Szenario parodistischer Enthüllung allerdings gilt nur für das letzte Drittel von
Northanger Abbey
. Erst dann erfüllt sich ja Catherines Wunsch, einen alten gotischen Familiensitz kennenzulernen und die durch ihre Lektüre angeregten Schauer selbst an Ort und Stelle zu empfinden. Aber auch der erste Teil des Romans ist die heiterparodistische Auseinandersetzung mit einem Erzählgenre der Zeit: mit dem sentimentalen Frauenroman. Da der Typ der Heldin in beiden Romantypen der gleiche ist, lässt sich für die Autorin in Catherines Person leicht die Klammer für die Verbindung beider Teile finden. Die Forschung hat allerdings gelegentlich darauf hingewiesen, dass die Komposition des Buches unter der Verschiedenheit beider Teile leide.
    Das Thema des Frauenromans in der Nachfolge von Samuel Richardson (1689–1761) – die bekannteste Vertreterin unter Jane Austens Zeitgenossinnen ist Fanny Burney (1752–1840) mit
Evelina
(1778),
Cecilia
(1782) und
Camilla
(1796), auf die im siebten Kapitel von Northanger Abbey angespielt wird – bildet die Konfrontation des unverdorbenen jungen Mädchens mit der großen und korrupten Welt, deren elegantes und frivoles Leben sie mit staunendem Schaudern betrachtet und deren Verlockungen sie nur mit Mühe widersteht. Susan Ferriers schon erwähnter, gleichzeitig mit
Northanger Abbey
erschienener Erstling
Marriage
bildet ein späteres Beispiel für die Darstellung der seelischen Erschütterungen einer »young woman upon her entrance into life« (einer jungen Frau beim Eintritt ins Leben; Bd. 2, Kap. 4): Mary Douglas wird nach einer glücklichen Kindheit im ländlich-sittlichen Schottland nach Bath zu ihrer Mutter und Zwillingsschwester geschickt, die ohne moralische Prinzipien auf großem Fuß leben und im leichtsinnigen gesellschaftlichen Leben aufgehen. Das Lebensziel von Marys Schwester Adelaide ist eine großartige Heirat. Sie erobert sich zwar auch den Herzog von Altamont, ist aber in ihrer Ehe so unbefriedigt, dass sie mit einem anderen Mann davonläuft. So wiederholt sie das Schicksal ihrer Mutter, Lady Juliana. Mary aber bleibt Oberst Lennox treu, dem Sohn einer blinden alten Dame, die sie pflegt, während ihre Mutter und Schwester sich auf Bällen vergnügen, und sie wird glücklich.
    Auch Catherine Morland ist »a young woman upon her entrance into life«. Auch sie wird in Bath, dem vornehmen Modebad des 18. Jahrhunderts im Südwesten
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