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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger
Autoren: Jane Austen
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Meisterwerk der Kitschliteratur, bei dem die Tränen sicher heftig geflossen sind), den komischen Szenen mit dem Personal, den malerischen Landschaftsbildern, eingestreuten Stimmungs-, Gedanken- und Naturgedichten und den kunstvoll sich entwickelnden Episoden des Grauens, in denen das ganze von Jane Austen parodierte Arsenal des Schreckens mit hohem Schauer-und Stimmungswert eingesetzt wird: das Irren durch die endlosen Korridore, das Belauschen der fürchterlichen Pläne Montonis, die unerklärlichen Geräusche überall, die Panik beim Verlöschen der Kerze in dunkler Nacht usw.
    Zu den typischen Zügen aller Romane Ann Radcliffes und vieler anderer gotischer Autoren gehört es, dass das Übernatürliche nicht existiert. Alle scheinbar unerklärlichen Geschehnisse finden deshalb letzten Endes ihre natürliche Erklärung. Zu den Tugenden der Heldin gehört es daher, sich nicht so leichtfertig in Angst und Schrecken versetzen zu lassen wie die Dienstmädchen. »Ich habe zu viel Verstand, um den Einfluss des Aberglaubens zu beklagen oder selbst ein Opfer davon zu werden«, sagt in
The Monk
die schöne Agnes de Medina, die als schwangere Nonne allerlei im Kloster durchmacht und die allen Grund hätte, vorsichtig zu sein, denn der böse Abt Ambrosio ist mit dem Teufel im Bunde und wird am Ende des Romans auch von ihm geholt, und es braucht viel Geschicklichkeit, bis die blutende Nonne endlich aufhört zu spuken. Erst als ihre Gebeine beerdigt sind, erklärt sie sich bereit, im Jenseits zu bleiben und die Menschen künftig zu verschonen.
    Jane Austen kann bei ihren Zeitgenossen und allemal bei ihrer eigenen Familie voraussetzen, dass sie wissen, worauf sich in Ann Radcliffes Roman Henrys Anspielungen auf dem Weg nach Northanger und Catherines Abenteuer in dem alten Kloster – z. B. ihre Besessenheit von dem Gedanken, Henrys Mutter müsse das Opfer der Verbrechen ihres eigenen Mannes geworden sein – beziehen, denn einzelne Episoden sind deutlich bestimmten Szenen in
The Mysteries of Udolpho
nachgearbeitet – Zeichen ihrer Hochachtung, nicht Verachtung dieser Schriftstellerin. Im Hinblick auf das parodistische Spiel ist besonders das Gespräch zwischen Henry und Catherine auf der Reise (Kap. 20) reizvoll, denn während Henry sich über Catherines Verfallenheit an den gotischen Roman lustig macht, beweist Jane Austen ironischerweise gerade aus seinem Munde, dass sie selbst, wenn sie gewollt hätte, durchaus eine gotische Autorin von Rang geworden wäre. Wie Catherine selbst wird der Leser fast wider Willen in Henrys spannende Ausmalung imaginierter Schrecken hineingezogen, obwohl doch der Erzähler selbst immer wieder die Spannung ironisierend durchbricht; wie Catherine selbst möchte auch der Leser immer gleichzeitig sagen: Wie albern, hör auf – wie spannend, erzähl weiter! Die Autorin verwandelt einige Kapitel lang augenzwinkernd sogar ihr eigenes Buch in einen gotischen Roman; nur betrügt sie listig ihre Heldin und den Leser immer wieder um den erwarteten schauerlichen Höhepunkt der Episoden, so etwa, wenn Catherine nach atemberaubender Suche nicht den von Henry auf der Fahrt heraufbeschworenen Bericht eines Mordopfers findet, sondern eine alte Wäscheliste. Catherines Satz »Oh, Mr. Tilney, das klingt wie in einem Roman« ist der Höhepunkt dieses ironischen Spiels, denn Henrys Erzählung ist ja Teil eines Romans – aber eines, der den gotischen Roman gerade persifliert und damit kritisiert.
4
    Aber Jane Austens Auseinandersetzung mit dem Schauerroman der Zeit geht in mehrerer Hinsicht über die bloße Belustigung hinaus. Sie macht den Lesern, die gotischen Hirngespinsten nachjagen, klar, wo die wirklichen Schrecken in der modernen aufgeklärten Gesellschaft liegen. Während Catherine sich bei den Tilneys auf phantastischen Spuren bewegt, die ihr durch die Lektüre abenteuerlicher Romane nahegelegt worden sind, braut sich über ihrem ahnungslosen Haupt in dem alten Kloster eine wirkliche Katastrophe zusammen, die ganz andere Ursachen als Gespenster oder eingekerkerte Ehefrauen hat. Es ist aber dieselbe Person, die sie der finstersten Verbrechen verdächtigt und die ihr auf ganz andere Weise Unglück zufügt: In seinen finanziellen Spekulationen von seiner zukünftigen Schwiegertochter enttäuscht, zwingt General Tilney sie auf die unhöflichste Weise, ja, sogar ohne sich von ihr zu verabschieden, sein Haus zu verlassen, in das er sie so verbindlich eingeladen hat und in das sie mit so großen Erwartungen
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