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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger
Autoren: Jane Austen
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weitgehend tot, oder, anders gesagt: paradoxerweise lebt er heute am intensivsten gerade in Jane Austens Parodie. Henry Austen hat recht gehabt, als er in seiner biographischen Notiz auch bemerkte: »Aber vielleicht leben ja die Werke der Autorin ebensolange wie die, die mit mehr éclat über die Welt hereingebrochen sind.«
    Während
Northanger Abbey
durch die Verzögerungen unzeitgemäß spät erscheint, macht gerade diese Verspätung deutlich, dass Jane Austens literarische Produktion enger mit dem Beginn des realistischen englischen Romans im 19. Jahrhundert zusammengehört. Nicht der Schauerroman erregt um 1820 die Gemüter; das Interesse hat sich anderen Romantypen zugewandt, in denen die genaue, detaillierte und unsensationelle Beschreibung der tatsächlich gelebten und erlebten Wirklichkeit eine größere Rolle spielt und für die der Name Walter Scott repräsentativ ist. In seinen Romanen verbindet sich die Vorliebe für die nun nicht mehr so phantastisch übersteigerte und entwirklichte Historie mit dem Gefallen an der unverwechselbaren Eigenart einzelner britischer Regionen:
Waverley
, die Darstellung des letzten Versuchs der Stuarts, in der Mitte des 18. Jahrhunderts den englischen Thron von Schottland aus zurückzuerobern, erscheint 1814 und
Ivanhoe
, die Geschichte des edlen Ritters zur Zeit von Richard Löwenherz und Robin Hood, 1819. Bei Scott oder in Susan Ferriers (1782–1854) Roman
Marriage
, der im selben Jahr wie
Northanger Abbey
herauskommt und öfter mit Jane Austens Büchern verglichen worden ist, gibt Schottland den literarischen Reiz her.
    Fast programmatisch weist Jane Austen den Leser schon im zweiten Kapitel darauf hin, dass sie vorhat, seine aufs Unwahrscheinlich-Phantastische gerichteten Erwartungen zu enttäuschen, indem sie das Märchenhafte im Leben einer Heldin ausmalt, aber dann als nicht wirklich entlarvt. In diesem Fall beschreibt sie Catherines Abschied, wie er nach den Romankonventionen der Zeit stattfinden müsste und wie er sich wirklich abgespielt hat, und dabei betont sie den eben skizzierten Gegensatz zwischen dem alten und dem neuen Typ von Roman: »Überhaupt wurde von Seiten der Morlands alles, was diese bedeutsame Reise anging, mit einem Grad von Mäßigung und Gefasstheit getan, die eher
den alltäglichen Empfindungen alltäglicher Menschen
entsprach als den hochgespannten Erwartungen, den zärtlichen Gefühlen, die die erste Trennung einer Romanheldin von ihrer Familie eigentlich auslösen sollte […].«
    Und so erscheint denn letztlich der Publikationstermin von Jane Austens verspätetem Jugendwerk doch als recht glücklich: Ihr Buch braucht den Abstand zum gotischen Roman, damit erkennbar wird, wie sie ihn im Bewusstsein neuerer Entwicklungen kritisiert, zu denen sie selbst beigetragen hat. Aber außerdem erscheint es nun im selben Jahr wie die andere glänzende, wenn auch intellektuellere und mehr auf die Romantik zielende Parodie des gotischen Romans,
Nightmare Abbey
von William Love Peacock (1785–1866), das mit der ironischen Beschreibung eines mittelalterlichen Familiensitzes beginnt, wie ihn Catherine Morland erst im zweiten Teil von
Northanger Abbey
zu sehen bekommt: »Kloster Alptraum, ein ehrwürdiger Familiensitz im höchst malerischen Zustand von Halbverfallenheit […].«
2
    Die für die Entwicklung der gotischen Mode im England des 18. Jahrhunderts wichtigste Gestalt, die freilich auf früheren Ansätzen aufbauen kann, ist Horace Walpole (1717–97), vierter Earl of Oxford und langjähriges Mitglied des Parlaments. Er lässt sich in den sechziger Jahren sein Landhaus Strawberry Hill in gotischem Stil und mit unregelmäßigem Grundriss bauen und veröffentlicht 1764 den ersten gotischen Roman:
The Castle of Otranto.
Auch in Deutschland beginnt ja etwa um diese Zeit die Mittelalter-Begeisterung, für die Goethes Kult des Straßburger Münsters und sein
Götz von Berlichingen
(1773) frühe und bekannte Beispiele sind. Aber während sich in Deutschland diese gotischen Elemente erst in der Romantik wirklich durchsetzen und Teil einer Weltanschauung werden, bestimmen sie in England schon in den letzten dreißig Jahren des 18. Jahrhunderts die Mode. Man baut gotische Gebäude oder lässt sich seine Bibliothek mit gotischen Ornamenten verzieren, zimmert gotisches Mobiliar oder malt gotische Bilder mit pittoresk verfallenen Burgen, schreibt Friedhofsdichtung oder gotische Romane, die in den neunziger Jahren den populären Buchmarkt beherrschen und durch die
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