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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger
Autoren: Jane Austen
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zurücklässt. Wie könnte das Buch auch heute noch so viel lebendiger sein als der Schauerroman selbst, über den es sich lustig macht, wenn es nicht aus eigenem Recht zu existieren vermöchte, wenn es nicht ein eigener Beitrag Jane Austens zur Gesellschaft ihrer Zeit und zur Rolle der Literatur wäre. Und sogar Catherine Morland, die Heldin, die so gar kein Talent dazu hat, eine zu werden, ist dabei wie von selbst zu einer viel überzeugenderen und lebensfähigeren Heroine geworden als ihre Vorbilder – eine in ihrer staunenden Naivität, arglosen Gutgläubigkeit und unaffektierten Liebe höchst liebenswürdige Gestalt.
    Wie auch in ihren anderen Romanen hält Jane Austen ihren Zeitgenossen in
Northanger Abbey
einen Spiegel und ein Ideal vor. Im Spiegel sehen sich diesmal unter anderem – wie in
Pride and Prejudice
die Ehepartner und in
Emma
die Gentlemen – die Eltern und Kinder mit ihren Verfehlungen, und beide hängen miteinander zusammen. General Tilney unterdrückt seine Kinder und ruft dadurch die Verantwortungslosigkeit seines älteren Sohnes und das Aufbegehren des jüngeren hervor. Mrs. Thorpe ist aus Eitelkeit blind für die Fehler ihrer Kinder, die denn auch dementsprechend unausstehlich sind. Mrs. Allen lässt als Pflegemutter Catherine aus Selbstbezogenheit, ewigem Schwanken in ihrem Urteil und endloser Beschäftigung mit modischem Kleinkram ohne jede moralische und gesellschaftliche Orientierung. Nur Catherines Eltern handeln pädagogisch angemessen, und auffällig sind bei der Rückkehr der Heldin ins Elternhaus die familiäre Herzlichkeit, der Takt, das Verständnis und die Fürsorge im Vergleich zur vornehmen Kontaktarmut im Hause Tilney und dem missgünstigen Nebeneinanderherleben der Thorpes. Gerade darum ist es für Catherine ein solcher Schock, dass ihr eigener Bruder sich bei dem Versuch, sie zur Teilnahme an dem Ausflug nach Clifton zu bewegen, auf die Seite John Thorpes schlägt, des aufs Menschliche und Lächerliche reduzierten Schurken des Schauerromans der Zeit. Auch dies ist Teil des Romankonzepts, denn ähnlich wird der Leser im Hinblick auf Mrs. Allen in seinen Erwartungen getäuscht. Dafür, dass sie nicht Catherines »Briefe abfängt, ihren Charakter verdirbt oder sie aus dem Haus weist«, entschuldigt sich die Autorin im zweiten Kapitel gewissermaßen. In ihr wie in der Gestalt des Bösewichts John Thorpe, der immer wieder Catherines Glück zu zerstören droht, zeigt sich Jane Austens Kritik an den Übertreibungen ihrer Schriftstellerkolleginnen, bei denen die Übeltäter diabolische Züge haben. In
Northanger Abbey
ist der Böse gedankenlos und banal, ein bloßer egoistischer Aufschneider. Dass er Catherine nicht verdient, ja, dass sie nicht einmal begreift, dass er um ihre Hand anhält, spricht nur für die natürliche Richtigkeit ihrer Empfindungen. Das wahre Glück kann ihr nur Henry Tilney geben; und mag Geburt und Jugend auch noch so wenig vielversprechend sein, um ihr Happy End wird keine von Jane Austens Heldinnen betrogen.
    Christian Grawe



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