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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition)
Autoren: Tobias O. Meißner
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weil die meisten von ihnen nicht kämpfen konnten? Kaskir rächen mit dem Material, aus dem Bosel bestand? Was für ein unschöner, unehrenhafter Gedanke.
    Zum ersten Mal in seinem Leben bedauerte es Stenrei, dass es in Bosel keine Büttel gab. Büttel hätten wenigstens gewusst, wie die Gesetze lauteten und wie man eine solche Unruhestifterin des Ortes verweisen konnte. Aber nicht jedes Dorf hatte eine Garnison. Die nächste, besetzt mit kläglichen sechs Mann, war drei Dörfer entfernt. Es war selbst zu Pferd viel zu spät, diese jetzt noch zu verständigen und hierherzuholen.
    Er konnte nichts tun. Es war unmöglich, die Stimme zu erheben gegen hundert, die verbissen fauchten und knurrten. Er hätte die Frau nicht nach Bosel führen dürfen. Aber er war dem Zauber ihrer unvollständigen Nacktheit im Schimmern und Kräuseln des Flusses erlegen.
    Kaskir nahm sein Breitschwert in beide Hände und lockerte sich etwas. Er sah nicht aus, als würde er die ganze Sache sonderlich ernst nehmen. Auf die Kraft seiner Schwertschwünge konnte er immer vertrauen. Im Rahmen einer Wette hatte er schon einmal den Stützpfeiler eines alten Hauses mit diesem Schwert und einem einzigen Schlag durchtrennt.
    Aber auch Erenis sah nicht besorgt oder besonders angespannt aus. Sie ging vor Kaskir auf und ab, bis er bedrohlich sein Schwert hob. Jetzt nahm sie eine eigenartige Stellung ein: Sie winkelte den linken Arm in Höhe des Halses an und legte die flache Schneide ihres Schwertes auf ihren linken Unterarm. Die Spitze zeigte dabei auf Kaskir. Als würde sie einen Stoß mit einem Stock vorbereiten, keinen Schwung mit einem Schwert. Ihren Körper stellte sie beinahe seitlich zu Kaskir, den Arm mit der Spitze voran, den Gegner über das Schwert hinweg betrachtend.
    »Fangen wir an?«, fragte Kaskir.
    »Jederzeit.«
    »Mach sie fertig!«, rief das hungrige und durstige Mädchen.
    »Feg sie einfach fort!«, ein anderer.
    Stenrei betrachtete kurz Dinklepp. Der hatte das Atmen jetzt ganz eingestellt, hing wie an Fäden an jeder Bewegung der beiden Kontrahenten.
    Kaskir machte einen Ausfallschritt nach links. Hob das Schwert. Brüllte. Stürmte vor.
    Die Menge nahm sein Brüllen auf, klang dabei wie eine Herde.
    Stenrei ächzte unwillkürlich. Er mochte gar nicht hinsehen, aber es ging nicht anders, auch er klebte, wie Dinklepp, an den Konturen dieses Schauspiels fest.
    Erenis machte zwei Schritte zurück, behielt Kaskir auf Distanz und im Auge.
    Kaskir wechselte nach rechts, brüllte noch mal, schwang jetzt sein Schwert nach ihr. Vorbei. Mit Wucht. Und schnell. Das Schwert brauste durch das Nichts. Und in seinen Ausschwung hinein folgte ihm ihr eigenes Schwert. Sie hatte sich gedreht, einmal um ihre Achse, ihr Schwert vom Arm genommen und hinter ihrem Körper entlang ihm in den auspendelnden Rücken oder die Seite geschlagen. Es gab ein Geräusch, eine Art nasses Reißen. Dann zog sie das Schwert an sich und nahm wieder ihre vorherige Haltung ein, die Klinge flach auf dem Unterarm.
    Blut.
    Da war Blut.
    Das Ganze war so schnell gegangen, dass man durch ein kurzes Blinzeln womöglich alles versäumt hätte. Aber Stenrei hatte noch ein Nachbild von Kaskirs Wucht und Erenis’ Drehung vor Augen. Geradzu eingeätzt in seinen Blick. Wie die Frau sich öffnete, entfaltete, aus der Wendung heraus, und zustach oder zuschlug.
    Kaskir stieß ein eigenartiges Geräusch aus. Ein keuchendes Pusten, als wäre er Dinklepp. Er fasste sich an den Rücken, wo sie ihn getroffen hatte. Die Hand, die er von dort zurückzog, war voller Blut. Sein grobes Arbeitshemd ebenfalls. Das übrige Blut lief über ihr Schwert. In Ornamenten. Blutstaben. Einer fremden Zunge des Verendens.
    Kaskir versuchte zu lachen. Es klang kurzatmig. »Du hast Schwein gehabt, Mädchen. Ein Glückstreffer. Das schaffst du aber nicht noch mal!«
    Sie machte drei Schritte rückwärts. Gab ihm mehr Raum. Er hob wieder sein Schwert an.
    Einige Zuschauerinnen schrien auf, in ihre vor den Mund gehaltenen Hände hinein. Stenrei konnte nicht erkennen, weshalb sie schrien.
    Dann gab Erenis plötzlich ihre Haltung auf und ging mit einfach nur noch locker in der Hand gehaltenem Schwert zu ihrem Rucksack hin, als wäre Kaskir gar nicht mehr vorhanden.
    Es war vollkommen rätselhaft. Kaskir stand doch noch immer vor ihr, mit angehobenem Schwert, das Gesicht zwar zusehends schweißiger und bleicher, aber gefährlich. Bosels stärkster Mann, wer wollte ihm das streitig machen? Verwundet, also sicherlich
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