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Kleiner Hund und große Liebe

Kleiner Hund und große Liebe

Titel: Kleiner Hund und große Liebe
Autoren: Berte Bratt
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Dank, diese Hörigkeit hat sie dann von dem Anführer der Sekte auf mich übertragen. Und ich tat alles, um einen selbständigen Menschen aus ihr zu machen. Sie wurde zwar von mir abhängig, aber das war wohl in der ersten Zeit notwendig, und dann versuchte ich, anfangs sehr vorsichtig, diese Bindung zu lösen. Das war nicht leicht, denn das arme Ding hatte sich ein bißchen in mich verliebt.“
    „Und du?“ fragte ich.
    „Nein, ich nicht. Ich fand sie reizend, und sie ist ja auch sehr hübsch - aber für mich war sie irgendwie. Ja, ich würde sagen, eine Patientin! Sie brauchte mich, und ich war frei und ungebunden, und wenn es ihr helfen konnte, sollte sie sich ruhig ein bißchen in mich verlieben. Ich glaubte, ich hätte Zeit, mich so allmählich, langsam und vorsichtig von ihr zu lösen. Dann aber stehe ich eines Tages in Rosenbüttel einem wütenden Mädchen gegenüber, das mich beschuldigte, meinen Hund ausgesetzt zu haben - und nach zehn Minuten, als sich ihr Zorn gelegt hatte, wußte ich: dieses Mädchen oder keines! Dieses Kind, sieben Jahre jünger als ich selbst, das war mein Schicksal! Und gleichzeitig mit dieser wunderbaren Gewißheit kam das Problem: Wie erkläre ich dies Miriam? Wie kann ich sie von mir lösen? Und zwar so, daß wir immer Freunde bleiben? Denn Freundschaft empfinde ich für sie; als Kamerad habe ich sie richtig gern.“
    „Und sie dich!“ rief ich. „Miriam und ich sind auch ganz dicke Freundinnen!“
    „Ja, siehst du, ich hatte es verdammt schwer in der Zeit bei euch!
    Am liebsten hätte ich dich gleich in die Arme genommen und dich gebeten, auf dich warten zu dürfen, bis du alt genug bist - aber ich konnte es nicht! Verstehst du, daß ich zuerst alles mit Miriam klären mußte?“
    „Ich verstehe es jedenfalls“, sagte Papa. „Darf ich dir bei dieser Gelegenheit sagen, daß du ein prima Kerl bist?“
    „Darf ich ,danke, gleichfalls’ antworten?“ erwiderte Ingo. „Nun ja, dann kannst du dir vielleicht denken, was ich empfand, als ich deinen Brief bekam. Übrigens kriegte ich gleichzeitig einen von Miriam. Herrgott, wie freue ich mich für sie! Ich freue mich für sie -und für mich’“
    „Du kannst dich ruhig auch ein bißchen für mich freuen“, meinte ich. „Übrigens, du wirst Miriam nicht wiedererkennen, wenn du sie -wahrscheinlich recht bald - triffst. Sie ist ein neuer Mensch, sie ist frei und sicher geworden, keine Spur von ängstlicher Hörigkeit mehr!“
    „Dank euch“, nickte Ingo.
    „Dank dir“, meinte ich.
    „Sagen wir lieber, dank Daniel“, lächelte Papa.
    Ingo blieb in unserem Hotel. Papa hatte ein Doppelzimmer, und Ingo zog zu ihm. Und dann fing diese herrliche Woche an! Wir waren jeden Tag unterwegs; nach Knossos mit den hochinteressanten Ruinen des vorsteinzeitlichen minoischen Palastes, zu dem kleinen, abseits gelegenen Bergdorf Kritsa, mit dem Motorboot von Agios Nikolaos nach der Insel Spinalonga. Überall waren Spuren einer Welt, die vor mehreren tausend Jahren existiert hatte. Und überall Ingos Erklärungen, die das Ganze noch interessanter machten.
    Dann folgten ein paar Abstecher zu verschiedenen mondänen Hotels und populären Touristenzentren. Am allerschönsten fand ich die kleinen, engen, einsam gelegenen Dörfer, die noch so friedlich und unberührt vom hektischen Leben waren. Ich erinnere mich besonders gut an das Dorf Gouves. Papa hatte das Auto geparkt, und wir gingen das letzte Stück zu Fuß, um uns zu orientieren. Am Rande des Dorfes, zwischen niedrigen, weißgetünchten Häusern, kam uns eine alte, schwarz gekleidete Frau entgegen. Sie trug ein Brot in den Händen. Als sie uns sah, blieb sie stehen, lächelte, sagte ihr freundliches „Kalimera“, was so viel wie „Guten Morgen“ bedeutet, brach drei kleine Stückchen von dem Brot ab und reichte sie uns. Das war eine so entzückende Geste, es tat uns nur so leid, daß wir mit der freundlichen Alten nicht sprechen konnten!
    Kurz danach sahen wir sie wieder. Wir waren am Dorfplatz, der kaum größer als der Vorgarten eines bescheidenen Reihenhauses war. Da gab es eine Mini-Wirtschaft, und davor saßen an kleinen Tischchen mehrere Dorfbewohner mit ihren Gläsern. Zentrum der Runde war der griechisch-orthodoxe Priester. Er müßte doch irgendeine Fremdsprache können, er müßte doch der alten Frau, die gerade in den Laden ging, ausrichten können, wie reizend wir ihren Empfang fanden!
    Aber Papa versuchte es auf deutsch und auf englisch, Hochwürden schüttelte nur den
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