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Kleine Portionen

Kleine Portionen

Titel: Kleine Portionen
Autoren: Dieter Moitzi
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ihre verklemmt-steifen Manieren und ihre Oberschichtler-Einstellung erträglicher machten. Sie war nicht unbedingt das, was man eine talentierte Köchin nennen könnte.
    Ihre Wohnung lag abseits der Hauptstraße, eine große Wohnung, die nach Geld stank. Drei Zimmer. Eine große Küche. Eine weiße Ledercouch im Wohnzimmer. Ein großer, massiver, alt aussehender Holztisch.
    Es geschah, nachdem sie den Salat serviert hatte. Eine richtige französische Mahlzeit wird immer mit einem Aperitif und Häppchen eingeleitet, während man im Wohnzimmer Small Talk macht. Dann begibt man sich zu Tisch und isst die Vorspeisen. Darauf folgt der Hauptgang. Sehr oft, man frage nicht warum, serviert man Gemüse, Reis, Kartoffeln danach. Nach dem Hauptgang wird Salat gemummelt. Und dann ist es Zeit für den Käse, die Nachspeise, und zum Abschluss den Kaffee. All das scheint sehr kodifiziert, vor allem in den wohlhabenden Familien.
    Wir beugten uns also über unseren Salat. Plötzlich sah Francine mich an, sah Etienne an, schien verwirrt und äußerte eine Bedeutende Frage: »Was ich mich schon immer gefragt habe … was können zwei Männer eigentlich miteinander machen?« Sie errötete, und natürlich tat sie das sehr manierlich. »Im Bett, meine ich …«
    Ein nettes Gesprächsthema für den Salat.
    Und sie hätte die Frage besser nicht stellen sollen, denn sie bekam mehr zurück, als sie erwartet hatte. »Ach«, lachte Etienne. »Wir stecken ihn uns hinten rein.«
    Auch sehr passend zum Salat.
    Francine kicherte und errötete noch mehr. »Komm schon!«, sagte sie. »Du ziehst mich auf!« Sie schaute Vanessa um Hilfe flehend an. »Hast du das gehört?«, fragte sie und lachte. »Er will mir einreden, dass sie …« Sie wurde genau im richtigen Moment von einem nervösen Schluckauf unterbrochen.
    Vanessa lächelte sie ganz lieb an und zuckte mit den Schultern. »Aber natürlich tun sie das. Ich mag das auch gern! Du solltest es mal ausprobieren, Francine! Es geht doch nichts über einen guten Arschfick!«
    Der anschließende Nachtisch war eine wirklich stille Angelegenheit.

Karten und Jazz und Abendessen
     
    Es ist wieder mal ein Faulenzerwochenende. Seb ist krank. Er hat sich am vergangenen Wochenende eine Erkältung eingeholt. Trotz der verführerischen Sonne sind wir also nicht außer Haus gekommen. Wir sind hier geblieben, wo es warm und gemütlich ist.
    Die Sonne ist inzwischen untergegangen. Ich schalte die kleine Ikea-Lampe neben dem Sofa ein. Sie sieht wie ein kleiner, post-moderner Baum aus Metall aus. Sieben geschwungene Stangen, vier von ihnen stehen nach oben, drei nach unten. Sie wirft ein intimes Licht in die Wohnung.
    »Komm, spielen wir Rommé«, sagt Seb.
    Ich meine: »OK.«
    Während er die Karten mischt, gieße ich etwas weißen Martinique-Rum in zwei Gläser. Ich gieße Zuckerrohr dazu. Ein paar Tropfen Zitrone. Dann zünde ich drei Kerzen an. Ich starte iTunes, wähle den JAZZ-Ordner. »Why don’t you do right?«, singt Sinéad O’Connor. Ich singe mit. Seb teilt die Karten aus.
    Die erste Runde gewinne ich. Ella Fitzgerald singt »From This Moment On«. Ich rauche eine Zigarette. Der Rauch dreht sich im schwachen Licht, wirbelt nach oben. Der Hund in der Ecke hat sich wie eine flauschige, weiße Kugel zusammengerollt. Er seufzt von Zeit zu Zeit, zuckt im Schlaf, klopft mit den kleinen Pfoten gegen die Schranktür. Er träumt wohl davon, wie er durch grüne Wiesen läuft.
    Ich fühle mich wohl und friedlich. Mein P’tit Punch ist schon halb leer, deswegen fühle ich mich auch leicht beschwipst. Seb gewinnt eine Runde, ich gewinne eine Runde, Seb gewinnt eine Runde.
    Nach ungefähr einer Stunde Kartenspielen stelle ich mich in die Küchenecke. »Cry me a river, for I cried a river over you«, singt Julie London.
    Ich hacke meine Zwiebeln. Tränen laufen über meine Wangen. Die Leute behaupten, Brillenträger weinen beim Zwiebelschneiden nicht. Die Leute behaupten so viel dummes Zeug. Ich weine, ausgiebig sogar. Kein Problem. Das macht die Augen sauber. Ich schneide die Hähnchenbrust in kleine Stücke. Michael Bublé singt »Fever«. Ich schneide den grünen Paprika in Würfel.
    Dann trinke ich meinen Aperitif aus und schenke mir ein Glas Merlot ein. Seb liest Zeitung, während ich das Olivenöl erhitze. Ich gebe das Hühnerfleisch dazu. Dann salze und pfeffere ich, jetzt noch ein wenig Knoblauch und Zimt. Ich bringe das Salzwasser für den Reis zum Kochen. Der Hund ist aufgewacht, sitzt in Habt-Acht-Stellung
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