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Klebstoff

Klebstoff

Titel: Klebstoff
Autoren: Irvine Welsh
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nachteilig auf zukünftige ökonomische und soziale Chancen auswirken konnte. Aber er war n mutiger Kerl gewesen, überlegte Billy mit einer seltsamen Mischung aus Anerkennung und Geringschätzung.
    Terry atmete die feuchte, unangenehm riechende Luft ein, ihre muffigen Dünste reizten seine Kehle und lagerten sich in seinen Lungenflügeln ab. Durch die Alkohol-und Koksexzesse lief sein Immunsystem auf niedrigem T-Zellen-Titer, und er bildete sich ein, fühlen zu können, wie die Tuberkulose in seiner Lunge heranreifte.
    Das Grau setzt sich fest, hatte Gally ihm mal erzählt. Nicht nach dem ersten, aber nach dem zweiten Mal, als er die achtzehn Monate in Saughton abgesessen hatte. Als Gally rauskam, hatte er gesagt, er würd spüren, wie sich ein Teil seiner Gehirnzellen zu nem Ytongblock verhärtete. Terry dachte an sich selbst; ja, da warn jetzt n paar graue Haare an den Schläfen seines braunen Lockenkopfs.
    Das Grau setzt sich fest.
    Die Siedlung, die Beschäftigungsprogramme der Regierung, das Arbeitsamt, die Fabrik, das Gefängnis. Zusammen erzeugten sie den elenden Gestank runtergeschraubter Erwartungen, der einen ersticken konnte, wenn man es zuließ. Es gab eine Zeit, da hatte Terry geglaubt, er könnte sich das alles vom Hals halten, als die Waffen in seinem sozialen Waffenarsenal noch stark genug waren, einfach große Technicolor-Löcher in alles reinzuballern. Das war, als er Juice Terry war, Draufgänger und Frauenheld, und als er so elegant über dünnes Eis gleiten konnte wie Torvill und Dean. Aber Kampf, Überlebenskampf, das war das Spiel der jungen Fotzen. Er kannte ein paar von denen, von der jungen Truppe, und wusste, dass sie ihn mit der gleichen liebevollen Geringschätzung betrachteten, mit der er einst Post Alec betrachtet hatte.
    Das Eis schmolz unter ihm weg, und er versank schnell.
    Eins werden mit dem Grau.
    Lucy hatte ihm von den Problemen erzählt, die ihr Sohn in der Schule hatte. Wie der Vater … das lag ihr unausgesprochen auf der Zunge. Er dachte an seinen eigenen Vater, der ihm so entfremdet war wie er jetzt seinem eigenen Sohn. Terry kam zu der niederschmetternden, erwachsenen Einsicht, dass er nicht die geringste Möglichkeit hatte, positiveren Einfluss auf das Leben seines Kindes zu nehmen.
    Und trotzdem musste er es versuchen.
    Wenigstens hatte Jason ihn, der arme Bastard. Jacqueline hatte keinen Gally.
    Carl bekam seine Atmung wieder unter Kontrolle. Die Luft roch süß und seltsam und vertrug sich doch mit seiner Erinnerung. Der Park wirkte vertraut und fremd zugleich.
    Terrys Blick war ein Flehen um Bestätigung. Billy war in Gedanken, aber es schien, als würde er nach etwas suchen. Er sah Carl an, der ihm zunickte.
    Billy begann langsam und bedächtig zu sprechen und sah dabei auf die Glasscherben und Tennents-Dosen zu seinen Füßen. – Merkwürdig, begann er, als ob er ein Rechtsanwalt wäre,
    – nachdem alles an den Tag gekommen war, kam Doyle runter zum Sportstudio. Ich setzte mich zu ihm in den Wagen. Er sagte zu mir, mein Kumpel klingt wie n Dalek. Dein Freund hat Glück, dass er tot ist. Das braucht jetzt nich so weiterzugehn. Billys Augen blitzten erst Carl, dann Terry und dann wieder Carl an.
    – Sag mal, Carl, du warst nicht zufällig an dem Abend dabei, bei McMurray, oder?
    – Du meinst zusammen mit Gally? fragte Carl. Er erinnerte sich an die Beerdigung. Billy hatte davon gesprochen. Billy nickte.
    – Nee. Ich wusste nicht, dass irgendwer McMurray an dem Wochenende fertig gemacht hatte. Ich dachte, wir wärn auf ner kleinen Sauftour. Ich wusste nicht, dass Gally das gemacht hatte.
    Terry überlief es innerlich kalt. Er hatte nie daran geglaubt, dass Beichten gut für die Seele wäre. In den Befragungsräumen der Polizei aufzuwachsen, hatte ihn gelehrt, dass immer schön den Mund zu halten die beste Taktik war. Die Würfel waren zu deinen Ungunsten manipuliert, wenn’s um die Bürokratie ging. Da hieß es, ihnen einen Scheißdreck zu erzählen, und selbst den nur, wenn sie ihn aus dir rausprügelten.
    Aber irgendwas geschah nun, die Puzzlesteinchen der Umstände von Gallys Tod fügten sich zusammen. Terry dröhnte der Schädel.
    Er sah Carl und Billy an und sagte leise: – Ich bin an dem Abend mit Gally zu Polmont gegangen.
    Billy warf Carl einen Blick zu, und beide schauten Terry an. Terry räusperte sich und fuhr fort: – Ich wusste nich, dass er dich zuerst gefragt hat, Billy. Es muss gewesen sein, nachdem du ihm gesagt hast, er soll’s lassen. Wir
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