Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klausen

Klausen

Titel: Klausen
Autoren: Andreas Maier
Vom Netzwerk:
doch schön oder auch Das ist doch ganz natürlich oder auch Das ist doch ganz normal verwendete. Er hatte inzwischen aufgegeben, ihr zu verdeutlichen, daß diese Sätze keinerlei Inhalt hatten, sie bezeichneten überhaupt nichts. Gasser dachte, daß man die Worte schön , natürlich und normal niemals den Leuten hätte in die Hände geben dürfen, denn sie, die Leute, begründeten damit alles, noch den letzten Unsinn begründeten sie mit Sätzen wie Das ist doch schön . Gasser biß sich auf die Lippen. Seine Mutter: Und du wirst auch einmal etwas leisten, davon bin ich fest überzeugt. Was soll ich denn leisten, fragte Gasser jetzt völlig entgeistert. Sie: Natürlich wirst du etwas leisten! Du bist noch so jung, du bist gescheit, du hast noch etwas vor dir, das weiß ich. Kati ist Schauspielerin geworden, darauf darfst du nicht neidisch sein, denn jeder wird, was er ist und wozu er Fähigkeiten hat, und deine Fähigkeiten liegen nun einmal woanders. Gasser schaute seine Mutter an. Sie kamihm plötzlich immer absonderlicher vor. Was meinst du denn damit, fragte er. Ich bin doch nicht neidisch auf Kati, wie kommst du denn darauf? Und was sollen denn überhaupt diese Fähigkeiten sein, die ich angeblich habe? Sie: Nun ja … diese Fähigkeiten … irgend etwas eben, wofür du dich interessierst. Du hast doch zum Beispiel früher immer so schön gezeichnet. Ich habe noch so viele Bilder von dir. Du hast Tannenbäume gezeichnet, und Schiffe, Segelschiffe. Er: Du spinnst ja wohl. Sie: Er solle nicht so mit seiner Mutter reden! Seine Mutter spinne nicht. Nein, er habe ein Talent im Zeichnen, das wisse sie. Übrigens zeichne er inzwischen ja wieder, habe sie erfahren. Das freue sie sehr. (Gassers Mutter schaute hierbei sehr glücklich drein, offenbar allein aus der Tatsache heraus, daß ihr Sohn wieder zeichne.) Gasser fragte ungläubig, was das denn alles bedeuten solle, was zeichne er denn? Er zeichne überhaupt nichts. Wie komme sie denn darauf? Sie: Aber Perluttner hat dich doch neulich gesehen. Du hast unten vor der Kirche gesessen und einen Block auf dem Schoß gehabt, und auf den hast du gezeichnet, und zwar hast du etwas gezeichnet, was du beobachtet hast dort unten. Du bist schon immer so ein Beobachter gewesen, du beobachtest alles genau und exakt. Gasser lachte jetzt, denn er erinnerte sich an den Vorgang. Tatsächlich hatte er da unten gesessen, allerdings aus völlig anderen Gründen, als seine Mutter annahm. Freilich sagte er nichts über diese Gründe … er hätte mit seiner Mutter niemals über diese Gründe geredet, mit fastniemandem sprach er über diese Gründe, er hatte allerdings gedacht, daß es gar nicht weiter aufgefallen sei, wie er dort unten an der Kirche gesessen und eine Skizze angefertigt hatte, denn tatsächlich: er hatte wirklich dort gesessen und etwas skizziert, eine ganz bestimmte Sache … Und was habe ich denn gezeichnet, fragte er düster, hat das Perluttner auch gesehen? Sie: Nein. Denn als er dich angesprochen hat, hast du sofort den Block zugeschlagen. Das hast du als Kind auch schon immer so gemacht. Du wolltest keinen sehen lassen, was du zeichnest. (Wieder, dachte Gasser, hat sie diese eigenartige Begeisterung im Gesicht. Immer wenn sie von meiner Kindheit spricht, hat sie diese Begeisterung im Gesicht. Früher schlug ich meinen Block zu, wenn mich jemand beim Zeichnen beobachtete, aha, das begeistert sie, bei diesem Unsinn wird ihr warm ums Herz.) Gasser sprang wieder auf und lief nun in beschleunigter Geschwindigkeit von einem Zimmerende zum nächsten. Auch als seine Schwester in die Stube trat, lief er immer noch genauso auf und ab, er begrüßte Kati kaum, nur mit einer geringen Handbewegung. Kati küßte ihre Mutter und setzte sich auf die Couch. Sie erzählte irgend etwas, Gasser nahm alles nur fragmentarisch wahr. (Das war ihm in letzter Zeit aufgefallen, nämlich daß er alles, oder zumindest das meiste, nur sehr fragmentarisch wahrnahm, weil er in seinen Gedanken dauernd von etwas anderem abgelenkt war. Allerdings trat ihm das, was er wahrnahm, jedesmal mit einer quälenden Überdeutlichkeit entgegen.) Sie habeeinige Tage Drehpause, sie wohne im Goldenen Elephanten, draußen auf der Straße sei sie natürlich dauernd angesprochen worden, man habe sie regelrecht verfolgt, bis vor die Haustür seien sie ihr nachgelaufen … Gasser blickte auf die Straße hinunter. Tatsächlich stand dort eine Menschentraube und wies zu den Gasserschen Wohnungsfenstern hinauf.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher