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Klausen

Klausen

Titel: Klausen
Autoren: Andreas Maier
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Sprengstoff offensichtlich gar nicht angebracht worden? War das ein Fehler in der Planung, ein Mißlingen im Ablauf der Aktion, oder hatten sie am Ende gar nur die Autobahn für einen kurzen Moment sperren und ihr Banner mit der Parole darauf entrollen wollen … für einen kurzen, ganz kurzen Moment der Stille? Sollte also am Ende die Talbrücke gar nicht gesprengt werden? War der Sprengstoff seit Jahren in dem Häuschen vergessen gewesen? Als diese Theorie in Klausen an die Öffentlichkeit kam, zeigten sich viele Leute regelrecht unbefriedigt, ja enttäuscht. Was, die Brücke habe gar nicht gesprengt werden sollen? Sicher habe sie gesprengt werden sollen … nichts ist erwiesener, als daß sie habe gesprengt werden sollen etcetera … Dann stürzte man sich auf das Paket mit den roten und schwarzen Schriftzeichen, das man am Kalksilo fand, aber es ergab sich auch daraus überhaupt kein Hinweis. Neri behauptete nämlich plötzlich, sich an das Paket in den Händen Gassers doch nicht recht erinnern zu können, vielleicht habe er ein ganz anderes Paket bei sich gehabt, als er damals von Branzoll gekommen war, vielleicht auch nur eine Tüte, und vielleicht habe sich bloß Gartengerät in dieser Tüte befunden, seine, Neris, Augen seien schlecht, er habe nur im ersten Moment gedacht … denn man habe doch überall in den Zeitungen davon gelesen und auch die Bilder gesehen! Es erschienen nun sogar Sensationslustige im Ort, besetzten die Hotels und ließen sich vom Ufer aus den Viadukt zeigen und das Geschehen in den verschiedensten Versionenund Theorien erläutern beziehungsweise vorgaukeln. Dann kam ein Gutachten: Zwei Pfeiler sollten tatsächlich gesprengt werden, die Terroristen hatten jedoch einen Fehler gemacht, und derjenige, der sich abgeseilt hatte, sollte irgend etwas an dem einen Pfeiler korrigieren, was sich aber nicht mehr habe korrigieren lassen, so daß die Terroristen mitsamt ihrer technischen Ausrüstung wieder abgezogen seien. Viele Klausner klatschten in die Hände, die Führungen ans Ufer wurden intensiviert. Allerdings schien das, was das Gutachten beinhaltete, doch sehr unwahrscheinlich. Es folgten weitere, sehr gegensätzliche Gutachten. Verschiedenste Verdächtigungen wurden ausgesprochen. (Auch gegen Paolucci; man behauptete nämlich, er habe einige Monate zuvor die Bekanntschaft Zanettis gemacht und sei ihm mehrfach in Bologna begegnet.) Auf diese Weise wurde viel Verwirrung gestiftet. Es wurde behauptet, der Vortrag Zanettis und der Aufruhr, für den Badowsky gesorgt habe, sei Teil des Plans gewesen und habe der Ablenkung gedient. Schon vorher seien Gerüchte gestreut worden, um Unruhe in Klausen zu erzeugen, die Menschen im Bürgersaal zu versammeln und sie so vom Tatort fernzuhalten. Was den Schuß angeht: Es wurde später zwar dauernd behauptet, es sei zur Tatzeit auch ein Schuß gefallen (man behauptete das, weil jeder davon sprach), aber man konnte niemanden finden, der diesen Schuß tatsächlich gehört oder den Schützen tatsächlich gesehen hatte, es gab überdies auch gar kein Opfer; und dennoch hielt sich eine Weile dieThese, Gasser habe die allgemeine Verwirrung nützen wollen oder gar inszeniert, um einen gezielten Schuß über den Eisack hinweg auf Delazer abzugeben. Wenn man daran erinnerte, daß Gasser die ganze Zeit am Ufer gestanden und sich überhaupt nicht entfernt hatte (um den Schuß von der anderen Seite aus abzugeben), dann gaben viele zur Antwort, Gasser habe den vorher ausgeheckten Plan mitten in seiner Ausführung plötzlich aufgegeben; warum, das freilich sagten sie nicht. Die Nichtausführung des Plans wies für sie völlig logisch auf die Existenz genau dieses Plans hin. Kurzum: Niemand wußte eigentlich recht, was an diesem Tag passiert war, was aus Zufall geschehen, was vorsätzlich vonstatten gegangen war. Aus der Nähe betrachtet, löste sich das Geschehen in einen Kosmos von Möglichkeiten auf, aber wenn man es aus der Ferne sah, war alles ganz deutlich und sogar einfach. Bis heute glauben ja die meisten, sechs Terroristen (Gasser, Gruber, Maretsch und die anderen) hätten die A 22 in die Luft gesprengt oder sprengen wollen … Die Polizei brach noch in derselben Nacht Auers Kammer auf. Überall hingen dort die pazzi an der Wand, die von Auer gezeichneten Klausner. Alle waren zu sehen: Moreth, Valli, Pareith, Gruber, Kerschbaumer, Huber, der Bürgermeister, Neri, Meraner, Meraners Frau, Gasser, Gassers Vater, Gassers Mutter, Kati, Paolucci, Laner, Delazer,
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