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Klassenfahrt zur Hexenburg

Klassenfahrt zur Hexenburg

Titel: Klassenfahrt zur Hexenburg
Autoren: Stefan Wolf
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stellten sich ihre
Vergissmeinnicht-Augen darauf ein, und sie erkannte die lange Reihe der
Fahrzeuge.

    Dörings Rover parkte ganz
links. Und dort bewegte sich was. Ein Schatten! Eine Gestalt! Jetzt verschmolz
sie mit dem Wagen. Und wieder glaubte Gaby ein Klirren zu hören. Aber das war
so leise, dass sie nicht wusste, ob sie es vernommen oder sich nur eingebildet
hatte.
    Aufregung pustete die Müdigkeit
fort. Gabys Herz hüpfte erst in die Kehle und sackte dann unter den Gummizug
ihrer nachtblauen Pyjamahose.
    Überfall! Wurde die Burg
gestürmt? Drangen die Dealer ein — mit Leitern und Strickleitern über die
Mauern?
    Sie hopste hoch, sauste zum
Bett, schlüpfte in ihre Schlappen, war schon an der Tür, besann sich aber und
hängte rasch ihr Badecape über die Schultern — in Ermangelung eines
Hausmantels, der nicht mehr in den Koffer gepasst hatte.
    Als sie nebenan bei Tim pochte,
knarzten Bettfedern. Barfußschritte tappten heran. Er öffnete, ohne zu fragen,
wer es sei — was enormes Selbstvertrauen verriet. Vorm Hausgespenst fürchtete
er sich jedenfalls nicht.
    „Tim!“, wisperte sie. „Ich
glaube, die Dealer sind im Hof. Jemand macht an dem Rover rum.“
    Tim trug sogenannte
Gute-Nacht-Shorts, hatte also nackte Beine. Ein Hemd trug er nicht, denn die
Nacht war wirklich warm.
    „Das haben wir gleich. Moment!“
    Er tauchte zurück in die
Zimmerdunkelheit, stieg in seine Turnschuhe und rumorte an der Wand. Als er
zurückkam, hatte er ein Schwert geschultert.
    „Vielleicht sind sie
bewaffnet“, flüsterte er. „Ich muss sie in Schach halten.“
    „Du willst doch nicht etwa
allein...“
    „Erst mal doch. Lage peilen.
Feind ausspähen. Weck nur keinen von diesen Todesverächtern und
Super-Abenteurern. Die stolpern uns nur vor die Füße. Du bleibst bitte im
Hintergrund!“
    Sie liefen hinunter. In der
Eingangshalle glomm ein Nachtlicht mit der Leuchtkraft eines Glühwürmchens.
    Tim legte sein Schwert ab und
prüfte die Palas-Tür. Sie hatte Riegel auf der Innenseite, war aber offen.
Nanu? Ein Menschlein wie Hubert von Zachwang schloss doch des Nachts bestimmt
alle Riegel — zumal in dieser Situation.
    Die Eichentür hing schwer in
den Angeln. Denen hätte etwas Öl gut getan, aber das Knarren gehörte wohl zu
den Hausgeräuschen. Jedenfalls brauchte Tim fast zwei Minuten, ehe er die Tür —
Millimeter um Millimeter — so weit geöffnet hatte, dass er hinausschlüpfen
konnte.
    „Du bleibst hier!“, wisperte er
von draußen und zog das Schwert durch den Spalt.
    Gaby schob den Kopf hinaus. Mit
Herzklopfen beobachtete sie, wie Tim in die Finsternis glitt. Dennoch — sie
konnte seinen Weg verfolgen. Da er kein Hemd trug, schimmerte er etwas heller
als die Schwärze der Nacht.
    Notfalls komme ich ihm zu
Hilfe, dachte sie — und sah sich nach einer Waffe um. Neben der Tür stand eine
Stechlanze — das unverzichtbare Gewaltinstrument ritterlicher Turniere. Sie war
fast drei Meter lang.
    Gaby wollte sie nehmen. Doch
das Ungetüm bewegte sich nicht, war festgeschraubt — sicherlich wegen der
Andenkensammler, die bekanntermaßen nicht nur Teelöffel klauen.

17. Erkenntnis im Hallenbad
     
    Tim schlich. Er duckte sich,
obwohl das keinen Vorteil brachte. Zwischen den Mauern war Fröstelkühle. Er
machte einen Bogen nach links, um von der Torhausseite anzuschleichen, wo die
Finsternis noch dicker war. Das Schwert drückte ihm auf die Schulter. Am
liebsten hätte er es weggeworfen. Es war unhandlich — Karate viel besser. Aber
irgendwie kam es ihm stilvoller vor, wenn er nicht mit japanischer Kampfkunst
antrat, sondern ritterlich gewappnet.
    Beim Rover knirschte Sand. Tim
bemerkte einen Schatten. Aber der war auf der anderen Seite des Wagens. Also
hatte sich Gaby nicht geirrt. Da war ein Nachtarbeiter am Werk. Einer? Und wie
war er reingekommen?
    Tim hatte jetzt den Elof
überquert, huschte am Torhaus vorbei, ließ sich aufsaugen vom Schlagschatten
der Ringmauer und strebte zum Rover.
    In diesem Moment geschah es.
    Hinter dem Bergfried blitzte
eine Taschenlampe auf. Ihr Licht strich zum Ziehbrunnen, der mitten im Hof war.
    Jemand rülpste, als hätte er
den Bauch voller Kohlensäure.
    Dann sagte Karl-Walter von Sill
mit alkoholisierter Stimme: „Ich glaube... hicks... wir können unseren
Rundgang... beenden, lieber Zachwang. Heute Nacht... kommen die Ganoven nicht
mehr. Aber... hicks... werfen wir doch noch einen Blick auf den Rover.“
    Diese Wildsau!, dachte Tim. Er
ließ das Schwert fallen und
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