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Kite

Kite

Titel: Kite
Autoren: Blake Crouch
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was ich sagen will.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich hab ich das von ’nem Callgirl. Die wissen auch immer im Voraus, wann’s mir kommt.«
    Es war mir schon immer ein Rätsel, ob McGlade die Leute einfach nur verarschen wollte oder ob er tatsächlich so dumm war. Dieses Mal tippte ich auf Letzteres.
    »Du bist dumm«, sagte ich zu ihm.
    »Und du bist so riesig wie ein Planet. Ich kann sogar deine Anziehungskraft spüren. Solltest du nicht lieber daheim im Bett liegen und die Sterne um dich kreisen lassen?«
    Ich runzelte die Stirn. »Meiner Präeklampsie ist es egal, ob Luther Kite frei rumläuft oder nicht. Aber mir ist es lieber, wenn man ihn aus dem Verkehr zieht.«
    »Okay. Wenn ich das nächsthöhere Level bei TowerMadness erreicht habe, können wir uns am Tatort treffen. Das schaff ich locker in zwanzig Minuten.«
    Ich fixierte ihn mit meinem irren Blick.
    »War nur ein Witz«, sagte er. »Ich bin schon unterwegs.«
    Ich ging wieder zum Bronco und fuhr mit Phin in einer Atmosphäre angespannten Schweigens zu der Polizeisperre auf der Kinzie Street, wo sechs Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht standen. Ein Verkehrspolizist wollte uns schon vorbeiwinken, doch dann erkannte ich den hochgewachsenen Mann, der bei den uniformierten Streifenpolizisten stand.
    »Ich steig hier aus«, sagte ich zu Phin.
    Er presste die Lippen zusammen. »Ich lass dich nur ungern aus den Augen.«
    »Die lassen dich nicht zum Tatort.«
    »Und warum darfst du dann hin? Du bist nicht mehr bei der Polizei.«
    »Aber ich hab dort noch einflussreiche Freunde. Außerdem steht das Chicago Police Department noch tief in meiner Schuld.«
    Er sah mich weiterhin gequält an. »Weißt du eigentlich, wie sehr ich mir um dich Sorgen mache?«
    »Hier sind zwei Dutzend Polizisten«, sagte ich. »Mir passiert schon nichts.«
    »Das ist nicht der Grund, warum ich mir Sorgen mache, Jack. Der Arzt hat gesagt …«
    »Es war bloß ein einziger Vorfall, Phin. Du hast überreagiert.«
    Sein Blick wurde hart. »Überreagiert? Er hat immerhin von der Möglichkeit eines Leberrisses gesprochen. Oder eines Nierenversagens.«
    »Die Wahrscheinlichkeit dafür ist gering.«
    »Du könntest in ein Koma fallen.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Du könntest sterben, Jack. Du
und
das Baby.«
    »Keiner wird sterben«, sagte ich. Dieser fürsorgliche, sentimentale Aspekt von Phins Persönlichkeit ging mir langsam auf die Nerven. Als er noch Bandenmitglieder verprügelt und Autos geklaut hatte, war er mir lieber gewesen.
    »Jack …«
    »Sei still und gib mir das Handy.«
    Er griff zögernd in die Wickeltasche. Ich konnte dort noch eine Tüte Chips sehen und wollte ihn schon darum bitten, doch dann unterdrückte ich das Verlangen. Außerdem zeugte es wahrscheinlich von schlechten Manieren, wenn man an einem Tatort, an dem ein Mord begangen worden war, Chips aß – egal wie gut sie schmeckten und wie sehr jede einzelne Zelle in meinem Körper danach schrie.
    Schwangerschaft war wirklich ätzend.
    »Bin in zehn Minuten wieder da«, sagte ich. Dann stieg ich aus und stürzte mich ins Getümmel.
    Ein Streifenpolizist hielt mich an. Ich bat ihn, Detective Tom Mankowski zu holen. Kurz darauf kam der hochgewachsene Mann herbeigeschlendert und lächelte, als er mich erkannte. Er hatte lange Haare, eine markante Nase und ein ebensolches Kinn und sah dem Abbild von Thomas Jefferson, das auf Fünf-Cent-Münzen prangte, verblüffend ähnlich.
    »Hey Lieutenant. Herzlichen Glückwunsch zu dem Baby.«
    »Danke, Tom. Aber du musst nicht mehr Lieutenant zu mir sagen.«
    Er grinste. »Alte Gewohnheit. Willst du dir den Tatort ansehen? Sie haben die Leiche bereits runtergeholt.«
    »Von wo?«
    Er deutete auf die alte Kinzie-Street-Eisenbahnbrücke, die in einem Fünfundvierzig-Grad-Winkel in die Luft ragte. Sie war nur eines von vielen Bauwerken in Chicago, die einer Erektionähnlich sahen. Man hatte die verrostete Brücke dauerhaft in dieser Position belassen, nachdem sie nicht mehr benutzt wurde. Die Stahlträgerkonstruktion hatte denselben antiken, utilitaristischen Look wie der Eiffelturm. Tom deutete auf den mittleren Brückenabschnitt und ich erblickte ein über dem Fluss hängendes Seil. Unter der Brücke befand sich ein mit hölzernen Planken befestigter Fußweg, auf dem ich mehrere Rettungssanitäter und die obligatorische, mit einem Tuch verhüllte Leiche sah. Weiter hinten, auf dem Parkplatz des
Chicago-Sun-Times
-Gebäudes, standen Pressebusse und
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