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Kite

Kite

Titel: Kite
Autoren: Blake Crouch
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zwanzig Sekunden gedauert, und du hast die ganze Zeit geschlafen. Eine Sekunde länger und ich hätte den Notarzt gerufen.«
    Um Himmels willen.
    Plötzlich zog Phin erneut sein Handy aus der Tasche, blickte aufs Display und ging ein paar Schritte zur Seite.
    »Hey!«, rief ich ihm nach. »Was ist los?«
    Phin blieb stehen. In seinem Gesicht spiegelte sich etwas, das ich bei ihm nicht kannte – Angst. Es gab nicht viel, wovor Phin Angst hatte.
    »Sag schon«, forderte ich ihn auf.
    »Herb hat mir eine SMS geschickt. Er ist gerade an einem Tatort am Fluss.«
    Ich wusste bereits, worauf das hinauslief, fragte aber trotzdem.
    »Luther?«
    Phin nickte. »Er ist wieder da.«

Luther Kite
31. März, 9:30 Uhr
    Es gibt so viel zu tun.
    Und er hat so wenig Zeit.
    Aber Luther ist zufrieden.
    Nach Monaten, nein, nach
Jahren
der Vorbereitung läuft jetzt alles so reibungslos, wie er es sich gewünscht hat.
    Er starrt auf sein iPhone.
    Der Gedanke, sie anzurufen, ist verlockend.
    Noch einen klitzekleinen Hinweis hinterlassen.
    Ihre Nummer zu ermitteln, war kinderleicht gewesen. Bei einer seiner vielen Erkundungstouren zu ihrem Haus hatte er in ihrem Briefkasten eine Rechnung von ihrem Mobilfunkanbieter gefunden und sich die Nummer notiert. Zu seiner Freude stellte Luther fest, dass Jacks Handy Internetzugang besaß. So etwas war eine feine Sache, und Luther schaffte sich daraufhin ebenfalls ein iPhone an.
    Er hält die Finger über den Touchscreen und will eine SMS schreiben, überlegt es sich dann jedoch anders.
    Später, Jack.
    Es besteht kein Grund zur Eile.
    Eine Belohnung macht umso mehr Spaß, wenn man sie aufschiebt.
    Ein Klopfen an der Fensterscheibe lässt Luther von seinem iPhone aufschrecken.
    Ein Polizist bedeutet ihm mit kreisendem Finger, das Fenster zu öffnen.
    Luther stockt der Atem.
    Wenn dieser Bulle sieht, was er hinten in seinem Van hat …
    Luther lässt das Fenster herunter und gibt sich Mühe, unbekümmert dreinzuschauen.
    »Ja, Officer?«
    »Sie dürfen hier nicht parken, Sportsfreund, es sei denn, Sie wollen unbedingt hundert Dollar Strafe zahlen. Das hier ist eine Ladezone.«
    Luther nimmt den Finger vom Abzug seiner Glock, die er zwischen dem Fahrersitz und der Tür hält. »In Ordnung, ich fahr sofort weg.«
    Der Polizist beugt sich näher heran. »Darf ich Sie was fragen, Sportsfreund?«
    Luther legt den Finger erneut an den Abzug. »Klar doch.«
    »Was haben Sie für diesen Mercedes Sprinter bezahlt? Ist echt ein toller Van.«
    »So um die fünfundsiebzigtausend.«
    Der Polizist tritt noch näher heran und versucht dabei, einen Blick in den dunklen Laderaum hinter Luther zu erhaschen.
    »Ein Kumpel von mir hat so einen. Hat den Laderaum zu einem kleinen Liebesnest umgebaut, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    Luther ringt sich ein Lächeln ab. Er hat den Van ebenfalls umgebaut, aber nicht, um darin Sex zu haben.
    »Ja, ich hab auch ein bisschen dran rumgebastelt.«
    Eine quälende Sekunde lang denkt er, dass der Polizist sich den Wagen genauer ansehen will.
    »Aber die Karre ist echt teuer«, fügt Luther mit herablassendem Unterton hinzu. »Ich glaube nicht, dass ein kleiner Beamter sich so was leisten kann.«
    Die Miene des Polizisten verhärtet sich.
    »Los, fahren Sie weiter.«
    »Schönen Tag noch, Officer.«
    Luther schaltet gerade auf Drive, als er sieht, wie der Professor das Gebäude betritt.
    Verdammt, jetzt muss er auch noch fürs Parken bezahlen.

Jack
31. März, 9:30 Uhr
    Gegen den vereinten Protest des Arztes und meines Freundes zog ich mich an und machte mich, so schnell es ging, aus dem Staub. Phin war darüber nicht besonders erfreut. Er ließ mich weder sein Handy benutzen, damit ich Herb anrufen konnte, noch gab er mir die Wickeltasche, in der sich mein eigenes befand. Ich stürzte ins Freie und kniff die Augen zusammen, als mir ein kühler Nieselregen entgegenschlug. Und dann beging Phin einen noch schwereren Fehler, als er mich am Handgelenk packte, um mich am Weitergehen zu hindern.
    »Jack, ich kann dich unmöglich gehen lassen. Du musst …«
    Ich drehte meinen Arm und riss mich aus seiner Umklammerung. Dann packte ich sein Handgelenk und nahm ihn in den Polizeigriff. Er ging in die Knie, nicht weil er mich um Verzeihung bitten wollte, sondern weil ich ihm sonst den Ellenbogen gebrochen hätte.
    Oder vielleicht bat er mich doch um Verzeihung. So wütend ich auch war – wir wussten beide, dass ich ihm nicht wehtun würde.
    »Ich lass mir von dir nicht sagen, was ich tun
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