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Kite

Kite

Titel: Kite
Autoren: Blake Crouch
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hatte, sagte sie: »Bitte … kann ich irgendwas für Sie tun?«
    Sie heulte inzwischen, und der beißende Uringestank kam eindeutig von ihr.
    »Passen Sie auf, dass Sie sich nicht übergeben müssen. Sie ersticken dann und verpassen den ganzen Spaß.«
    Er griff in die Sporttasche und holte eine Rolle Isolierband hervor.
    Riss ein Stück ab und klebte ihr damit den Mund just in dem Moment zu, als sie schreien wollte.
    Einen Moment lang konnte sie vor lauter Tränen nichts sehen. Kaum hatte sie sie weggeblinzelt, als sie auch schon ein Messer mit gekrümmter Klinge sah. Irgendwo tief in ihrem Unterbewusstsein kam es ihr vor, als ähnelte die Waffe der Kralle eines Greifvogels.
    Sie stöhnte durch das Klebeband und flehte ihn unter verzweifelten Versprechungen an, ihr nichts zu tun.
    Er setzte sich auf ihren Bauch. Da ihre Hände rücklings gefesselt waren, konnte sie zappeln, so viel sie wollte – es gelang ihr nicht, ihn abzuwerfen.
    Luther warf einen Blick über die Schulter und ließ ihn schnell in beide Richtungen entlang der Flusspromenade wandern.
    Sie drehte ihren Kopf ebenfalls zur Seite und konnte durch die Grashalme sehen, dass der Weg immer noch verlassen dalag.
    »Ich hab’s Ihnen doch gesagt«, meinte er. »Wir haben die Stadt ganz für uns allein.«
    Er packte sie am Kinn und drehte ihren Kopf so, dass sie ihn ansehen musste. Sie starrte in seine Augen und versuchte, obwohl es stockfinster war, darin eine Spur von Mitgefühl und Menschlichkeit zu entdecken. Aber sie sah nichts dergleichen.
    »Gleich ist es so weit«, sagte er. »Sind Sie bereit?«
    Sie schüttelte den Kopf und musste wieder weinen.
    »Sie können sich wehren, so viel Sie wollen, es nützt Ihnen nichts. Ihre Tage sind gezählt. Versuchen Sie es mit Würde und Anstand zu nehmen. Wenn es Ihnen ein Trost ist, meine Wahl fiel nicht auf Sie, weil Sie irgendetwas angestellt haben. Sie sind eine nette Frau, und ich bin sicher, dass Sie Rob oder wen auch immer sehr glücklich gemacht hätten. Sie haben einfach nur Pech gehabt, waren nur eine von vielen, die ich beobachtet habe. Wenn eine von den anderen Frauen, die ebenfalls mit Nachnamen Shedd heißen, mir auf den Leim gegangen wäre, wären wir beide uns nie begegnet.«
    In ihrem Bewusstsein hatte nur noch ein einziger Gedanke Platz:
Es tut mir leid.
Ihr tat es leid, dass sie bestimmte Dinge im Leben nicht getan hatte, weil ihr der Mut dazu fehlte. Ihr taten die Menschen leid, die sie schlecht behandelt hatte, die Beziehungen, die ihr Stolz zerstört hatte. Ihr tat es leid, dass sie mit ihren Eltern wegen Nichtigkeiten in Streit geraten war. Aber am meisten bedauerte sie die Jahre, die sie mit der Suche nach einem Partner vergeudet hatte, der ihrem Leben einen Sinn gab – wo das doch ihre Aufgabe gewesen wäre.
    Die Tränen liefen ihr jetzt in Strömen übers Gesicht. Um Luthers dunkle Augen bildeten sich Lachfalten.
    »Ich weinte nicht, also wurde ich innerlich zu Stein«, flüsterte er.
    Seine Stimme riss sie aus ihrem Selbstmitleid und nackte Angst ergriff von ihr Besitz. Sie fing zu schreien an und schloss die Augen. Ihre Stimme hallte über den Fluss und ging dann im sanften Plätschern des Wassers unter.
    »Morgen wird man über Sie schreiben«, sagte er. »Sie werden berühmt.«
    Sie schlug die Augen auf und sah, wie er mit dem Messer auf das Leuchtschild mit der Aufschrift
Chicago Sun-Times
zeigte, das wie eine Neonwolke über ihnen schwebte.
    Dann richtete er die Klinge auf sie.
    Und die Metzelei begann.

Jack Daniels
31. März, 9:15 Uhr
    »Nervös?«
    Ich sah zu Phin hinüber, der neben mir im Wartezimmer der Notaufnahme saß, und dann wieder hinunter auf meine Turnschuhe. Dabei tappte ich mit den Zehenspitzen so schnell auf den Boden, dass der Klettverschluss vor meinen Augen verschwamm.
    Ich hasste diese Schuhe. Wer Schuhe mit Klettverschluss trug, schrie damit der ganzen Welt ins Gesicht:
»Ich gebe auf! Ist mir doch scheißegal, wie ich aussehe!«
    Aber leider war es so. Ich hatte ein Paar elegante Damenschuhe von Yves Saint Laurent, für die ich vierhundert Dollar hingeblättert hatte, gegen diese billigen Fünfunddreißig-Dollar-Schuhe der Marke Keds eingetauscht, weil meine Füße mittlerweile zu dick waren, als dass sie in Schuhwerk gepasst hätten, das auch nur annähernd sexy aussah.
    Schlimmer fand ich jedoch das T-Shirt in der Größe XL, das sich eng um meine Hüften spannte und das ich mir über die kurze Hose gezogen hatte, bei der ich die obersten zwei
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