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Kite

Kite

Titel: Kite
Autoren: Blake Crouch
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Knöpfe offen lassen musste. Mein Körper war nur noch ein scheußliches Zerrbild dessen, was er früher einmal gewesen war, und schuld daran war das fremde Wesen, das ich in mir trug.
    Ein fremdes Wesen, das noch dazu versuchte, mich umzubringen, als ob es nicht schon reichte, wenn es bloß meine Figur ruinierte.
    »Warum sollte ich denn nervös sein?«, erwiderte ich. Esklang abgehackter und schriller, als mir lieb war. Die Klimaanlage blies lauwarme Luft in den Raum und mir tat von dem Geruch nach Zitronenreiniger der Kopf weh. »Entweder geht es mir wieder besser oder nicht. Wie auch immer, ich seh sowieso wie Humpty Dumpty aus.«
    »Du siehst toll aus, Jack .« Phin langte zu mir herüber und ergriff eine meiner verschwitzten Hände.
    »Ich hasse es, wenn du das sagst.«
    »Ich meine es wirklich so. Du siehst aus wie das blühende Leben.«
    Seine blauen Augen strahlten so rein, gesund und liebevoll, dass ich ihm am liebsten in die Fresse gehauen hätte. Ich wandte mich von ihm ab und starrte die anderen Unglücklichen an, die sich im Wartezimmer aufhielten.
    Es gab nichts Schlimmeres als die Notaufnahme in einem Krankenhaus. Man traf dort auf spontane Ansammlungen von Menschen, die schlechte Nachrichten und unglückliche Umstände zusammengewürfelt hatten. Nicht, dass es in der Praxis meiner Frauenärztin viel besser war. In ihrem Wartezimmer tummelten sich Frauen, die nur halb so alt wie ich waren und die gerne tratschten. Die erste Frage, die ihnen automatisch über die Lippen kam, lautete stets: »Wie alt sind Sie?«
    Alt genug, um zu wissen, dass man so spät im Leben nicht mehr schwanger werden sollte.
    Phins Finger strichen zärtlich über meine Hand und tasteten sich verstohlen zu meinem Handgelenk.
    Ich zog die Hand weg.
    »Wollte nur mal nachsehen«, sagte er.
    »Das brauchst du nicht. Deswegen sind wir ja hier, oder?«
    Als wir heute Morgen meinen Blutdruck gemessen hatten, war er hundertsechzig zu hundert – gefährlich hoch. Deshalb waren wir jetzt in der Notaufnahme, um meinen Urin auf seinen Eiweißgehalt untersuchen zu lassen und herauszufinden,ob sich meine Präeklampsie verschlimmert hatte. Wenn das der Fall war, würden sowohl Phin als auch meine Ärztin darauf bestehen, die Geburt einzuleiten. Aber bis zu meinem Geburtstermin waren es noch drei Wochen. So sehr ich mich auch danach sehnte, dass das Kind endlich meinen Körper verließ, hatte ich doch eine Riesenangst davor zu gebären.
    Trotz meiner achtundvierzig Jahre fühlte ich mich immer noch zu jung dazu, Mutter zu sein. Wenn mir nur noch drei Wochen ohne Kind blieben, würde ich sie auf der Stelle nehmen, auch wenn ich zu nichts anderem imstande war, als den ganzen Tag vor der Glotze zu sitzen und dabei die Füße hochzulegen und gebratene Schweinekrusten zu essen.
    »Phin, du hast nicht zufällig ein paar Schweinekrusten dabei?«
    Phin hatte im Rahmen der Vorbereitung auf meine Geburt damit begonnen, eine Wickeltasche mit sich herumzutragen. Aber statt eines Vorrats an frischen Windeln befanden sich darin allerhand ungesunde Snacks und ein paar ebenso ungesunde Schusswaffen. Ich war nämlich inzwischen so dick, dass mir mein Schulterholster nicht mehr passte und ich mich nicht mehr so tief bücken konnte, um an das Knöchelholster zu kommen. Phin trug deshalb Waffen für uns beide.
    Er kramte in der Tasche herum – ein hässliches Ding mit einem Kermit-der-Frosch-Aufdruck – und fand schließlich eine Tüte Chips. Die waren zwar nicht so gut wie Schweinekrusten, aber zur Not taten sie’s auch. Ich riss die Tüte mit den Zähnen auf und bediente mich.
    Phin zog sein Handy aus der Gesäßtasche seiner Jeans und blickte mit zusammengekniffenen Augen auf das Display.
    »Alles klar«, las er vor. »Wie geht es Mezcal?«
    Mein Geschäftspartner, Harry McGlade , hielt draußen vor dem Eingang zur Notaufnahme Wache. Vor einigen Monaten war mir ein ziemlich gefährlicher Mann über den Weg gelaufen und hatte mir gedroht, dass wir uns wiedersehen würden. Harry, Phin und mein alter Partner aus Polizeitagen, Herb Benedict , hatten diese Drohung ernst genommen und beschlossen, rund um die Uhr auf mich aufzupassen. So nobel diese Geste auch war – nachdem wir uns über ein halbes Jahr gegenseitig auf die Zehen getreten waren, hatte ich von meinem Leibwächter-Trio die Schnauze voll. Schlimmer noch war die Tatsache, dass McGlade es sich zur Aufgabe gemacht hatte, sich einen Namen für mein zukünftiges Baby auszudenken. Wegen meines
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