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Kite

Kite

Titel: Kite
Autoren: Blake Crouch
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unglücklichen Namens Jack Daniels dachte McGlade, dass mein Kind ebenfalls nach einem alkoholischen Getränk benannt werden sollte.
    »Schick ihm ’ne SMS zurück«, sagte ich. »Sag McGlade, lieber nenne ich mein Kind Helga oder Fanny anstatt irgendwas, das mit Alkohol zu tun hat.«
    »Ich find Mezcal gar nicht schlecht«, sagte Phin.
    »Das hast du bei Brandy auch gesagt.«
    »Brandy ist ein cooler Name für ein kleines Mädchen.«
    »Klar doch. Warum kaufen wir ihr dann nicht gleich auch so eine Poledance-Stange für ihr Kinderbett, wie man sie in Stripteaselokalen hat?«
    Phin lächelte. Er trug einen Zweitagebart, ein weißes T-Shirt und verwaschene Jeans. Letztes Jahr hatte er wegen einer Chemotherapie sämtliche Haare verloren. Obwohl die Nebenwirkungen inzwischen am Abklingen waren, behielt er den Look bei und rasierte sich regelmäßig den Schädel. Jetzt fehlte ihm nur noch ein goldener Ohrring, und er würde wie eine sexy Version von Meister Proper aussehen.
    »Ich finde immer mehr Geschmack an dieser Idee mit den Drink-Namen«, meinte er. »Ich sehe mich schon als stolzer Papa, der einen Kinderwagen mit Wodka durch die Gegend schiebt.«
    »Das kannst du dir abschminken.«
    Ich versuchte, mir Phin mit einem Kinderwagen vorzustellen. Anstatt in einem Park oder einem Einkaufszentrum sah ich ihn vor meinem geistigen Auge, wie er unser Baby in eine Bank schob, eine Pistole aus der Windel hervorholte und den Laden ausraubte. Phin war zehn Jahre jünger als ich, und ich hatte ihn beruflich kennengelernt, als ich noch bei der Polizei war – ich hatte ihn damals festgenommen. Ich hatte zwar das Gefühl, dass er keine krummen Dinge mehr drehte, seit er mich geschwängert hatte, aber hundertprozentig sicher war ich mir da nicht.
    Eine Krankenschwester rief meinen Namen auf. Ich erhob mich schwerfällig von dem unbequemen Plastikstuhl und watschelte in eines der Behandlungszimmer, wo man mich aufforderte, ich solle mich ausziehen. Phin musste mir bei den Schuhen helfen. Ich entkleidete mich bis auf meinen mittlerweile viel zu engen Sport-BH und ein gigantisches Paar Oma-Höschen – ein weniger schmeichelhaftes Kleidungsstück gab es wohl kaum. Aber da ich kurz nach dem zweiten Trimenon ohnehin meine ganze Würde verloren hatte, konnte es mir egal sein, wenn Phin mich so sah. Ich ließ mich auf den Untersuchungstisch plumpsen und lag da wie ein gestrandeter Wal, der darauf wartete, wieder ins Meer gerollt zu werden.
    Ein gut aussehender Arzt trat durch einen Vorhang. Er hielt einen Ausdruck in der Hand. »Mrs Daniels?«
    »Miss«, korrigierte ich ihn. Beinahe hätte ich
Lieutenant
gesagt, aber das war nun doch schon eine Zeit lang her.
    »Ich bin Dr. Aguier. Ich habe hier die Ergebnisse Ihres Urintests. Ihr Eiweißgehalt beträgt dreihundertsechzig Milligramm und Ihre Kreatinin-Clearance-Werte sind besorgniserregend hoch.«
    Phin verzog das Gesicht. »Das ist schlimmer als zuvor.«
    »Haben Sie Kopfschmerzen oder sehen Sie verschwommen?«, erkundigte sich der Arzt.
    Ich blinzelte Dr. Aguier an und tat so, als könne ich ihn nicht sehen. »Wer hat das gesagt?«
    »Sie hat in letzter Zeit häufig Kopfschmerzen«, verpetzte Phin mich. »Und ein Kribbeln in den Händen und Füßen.«
    »Schmerzen im Oberbauch?«
    »Noch viel schlimmer als die Schmerzen …« Ich senkte meine Stimme zu einem Flüstern. »Ich glaube, in mir wächst etwas heran.«
    »Jack, lass bitte den Blödsinn.« Phil schlug einen strengen, fast schon elterlichen Ton an. Aber ich konnte es nicht lassen. Wenn ich das Ganze ernst nahm, könnte ich meine Heidenangst nicht verbergen.
    »Sie sind jetzt in der siebenunddreißigsten Woche«, sagte der Arzt und warf einen Blick auf den Ausdruck. »Hat Ihr Gynäkologe Ihnen empfohlen, die Geburt einzuleiten?«
    »Ja«, antworteten Phin und ich gleichzeitig. Doch dann fügte ich hinzu: »Ich werde es nicht tun.«
    »Eine Eklampsie ist für Sie und Ihr Baby lebensbedrohend. Hatten Sie in letzter Zeit Krämpfe?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Doch, hatte sie schon«, sagte Phil.
    Ich wandte mich zu ihm. »Wann?«
    »Gestern Nacht, als du geschlafen hast. Du hast auf einmal ziemlich stark gezittert.«
    »Vielleicht war es nur ein Albtraum.«
    »Deine Albträume kenne ich. Das war etwas anderes. Du wurdest am ganzen Körper stocksteif, und dann hattest du …« Er ließ den Satz unvollendet.
    »Dann hatte ich was?«
    »Du hattest Schaum vor dem Mund, Jack. Hast mir ganz schön Angst damit gemacht. Hat ungefähr
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