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Kirchwies

Kirchwies

Titel: Kirchwies
Autoren: Hannsdieter Loy
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gespieltem Interesse, während er sich ein Glas einschenkte. Als er es ans Licht hielt, leuchtete der Wein rubinrot.
    Pater Timo verschränkte die Arme vor der Brust. Die schwarze Soutane stand ihm gut. Nur der angegraute Pferdeschwanz mutete daneben etwas verloren an.
    »Beim letzten Sturm ist er noch etwas schiefer geworden«, erwiderte er mit sanfter Stimme. »Mehr als zwei weitere Stürme wird er gewiss nicht mehr aushalten. Dann brechen die Holzbalken, und die schwere Glocke könnte herunterfallen. Hoffentlich geht dann nicht grad ein Bürgermeister vorbei.«
    Campari beugte sich vor, obwohl ihm seine ansehnliche Wampe die Bewegung sichtlich schwer machte. Er wollte gerade antworten, da mischte Thea Brommel mit, die sich hoch aufragend hinter ihm platziert hatte.
    »Der Pater hat doch einen Zuschuss beantragt«, sagte sie vorwurfsvoll zum Bürgermeister. »Wo bleibt der? Wir können doch nicht einfach unseren Glockenturm auf den Acker schmeißen! Das wär gar nicht gut für unser Herzlichstes Dorf.«
    »Sache der Katholischen Kirche!«, entgegnete Campari laut. »Die Kirche ist voll mit goldenem Gerümpel. Verkauft des, nachher könnt ihr den Turm wieder herrichten und gleich noch einen zweiten daneben bauen!« Damit erhob er sich schwerfällig und watschelte hinauf zum Haus, wo Wang Ming mit dem Bierfass stand.
    »Und des lässt du dir einfach so gfalln?«, moserte Fanny, die Ältere, ihren Bruder an. »Gell, Frau Brommel, mir behaldn ein waches Auge auf den Herrn Bader.«
    Fanny meinte mit »Bader« nicht den Dorffriseur, sondern Pater Timo. Da das Fränkische jedoch keine harten Laute kennt, kommt es mitunter zu Missverständnissen.
    »Je höher der Kirchturm, desto schöner das Geläut«, trug der Pater weise bei.
    Mühsam reckte sich der Bürgermeister und ging ein paar Schritte. Dann blieb er stehen und drehte sich zum Pater um. »Sie mit Ihrem Kirchturm«, fuhr er ihn aus der Entfernung an. »Letztes Jahr bei dem Erdrutsch, da hab ich euch Grünen schon nachgegeben und hab Geld für die Aufforstung besorgt. Bleiben Sie mir jetzt bloß vom Hals mit dem Turm. Ich bleib dabei. Das ist Sache der Kirche, basta!«
    Er hätte sich gern entfernt, doch Timo ließ nicht locker. »Wie halten Sie’s eigentlich mit dem C in eurer Partei?«, rief der ihm zu. »Das steht für ›christlich‹, wenn ich nicht sehr irre, oder? Da müsste doch das Geld für die Reparatur unseres Gemeindekirchturms drin sein. Wenn man sich entsprechend einsetzt. Jedenfalls für ein klitzekleines Türmchen.«
    Selten hatte man einen katholischen Priester in Schwarz so verschmitzt grinsen sehen.
    Campari ließ sich nicht beirren. »Ich weiß von einem aus eurer Grünen Liga drin in der Stadt, der will das Glockengeläut in seinem Viertel verbieten lassen. Weil’s seine Frau beim Schlafen stört. Also – werd’s euch doch erst einmal selbst einig.«
    Der bullige Bürgermeister trat wieder auf Timo zu und stützte sich an der Tischkante auf. Die buschigen Augenbrauen machten die Pose noch bedrohlicher. »Ja, wenn ich erst einmal im Landtag sitz, ja dann … Da können S’ ja ein gutes Wort für mich bei Ihrem Chef einlegen.« Er richtete die Augen zum Himmel und entfernte sich unter lautem Gelächter.
    Thea Brommel war vor ihn hingetreten und deutete eine Luftwatschn an. Betont langsam umrundete sie dann den Tisch und massierte unter Fannys forschendem Blick dem Pater das schmerzende Genick. Bevor die strenge Schwester jedoch Einspruch erheben konnte, ließ sie’s wieder bleiben und sah zum Himmel, als das heisere Krächzen der Krähen einen neuen Anlauf nahm.
    Thea Brommel fühlte sich gut. Sie meinte, vom Dorf akzeptiert zu sein, und ihre Party versprach ein voller Erfolg zu werden. Zum x-ten Mal schaute sie sich um.
    Drüben stand ihre Freundin Fritzi mit einem Glas Wasser in der Hand und unterhielt sich mit Pauli, dem Maler. Der wohnte am Grünsteinsee in einem Hausboot und bastelte seit zwanzig Jahren an einem Ruderboot herum, in dem er seine Freundinnen auf dem See herumruderte und die Schwäne ärgerte.
    Soweit Thea das mitbekommen hatte, war auch Fritzi schon auf dem Boot gewesen. Fritzi mit dem unleidlichen Odilo. Sie hatte mit ihren gut dreißig Jahren bereits einen Lebensweg hinter sich, für den normale Menschen drei Leben benötigten.
    Fritzi Gernot war ein hübsches, zierlich-kerniges Persönchen. Als promovierte Ärztin, Assistentin an der Klinik, entdeckte sie das Boxen als ihr Hobby. Innerhalb kürzester Zeit gewann sie
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