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Kirchwies

Kirchwies

Titel: Kirchwies
Autoren: Hannsdieter Loy
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Thea setzte sich mit einer Tasse Kaffee und einer Zigarette auf die obere Terrasse, von wo aus sie den Sternenhimmel und den Halbmond über dem Dach des Gartenhauses betrachten konnte.
    Thea spürte ein intensives Gefühl unbeschwerter Freude. Als hätte man ihr einen Eimer Glück ins Gesicht geschüttet. Es war ein gelungenes Fest gewesen, und – soweit sie es beurteilen konnte – alle waren beschwingt und zufrieden nach Hause gegangen. Sie war in fröhlicher Stimmung wegen des Hauses und sicher, mit dem Erwerb ein glückliches Händchen gehabt zu haben.
    Kaum jemals hatte Thea gelacht, wenn sie allein war. Doch sie musste laut auflachen, wenn sie daran dachte, wie der kleine Odilo die gesamte Meute aufgescheucht und durcheinandergewirbelt hatte. Die paar geknickten Geranien im Holzkübel würden sich wieder erholen oder nachwachsen. Sie bewunderte Fritzi dafür, welche Freiheiten sie dem Kleinen gewährte. Theas Lachen mündete in ein verhaltenes Glucksen, als ihr der alltägliche Ehestreit der Camparis vor Augen kam.
    Mit jedem Zug an der Zigarette erglühte die gläserne Terrassentür in leisem Widerschein. Leichter Nebel stieg von dem Rasenstück hinterm Haus auf, und ein feiner Geruch von verglimmender Holzkohle drang von vorn durchs offene Haus.
    Margot Campari – im Dorf hieß sie nur die Bürgermeisterin – hatte sie gegen Ende zur Seite genommen und ihr ins Ohr geflüstert: »Du hast bestimmt dein Haus noch nicht in Ordnung bringen können, weil du erst eingezogen bist. Aber das wird sich ja bald ändern, nicht wahr, meine Liebe?«
    Blöde Gans! Und wenn sie wüsste, was Thea von ihrem Mann wusste.
    Die Bürgermeisterin war am meisten geschockt gewesen, als Thea den Tätowierten auf ein Bier hereingebeten hatte. Aber nicht nur sie hatte ihm die kalte Schulter gezeigt. Der Hüne hatte das gespürt und sich nach dem Getränk und etwas Kartoffelsalat wieder verabschiedet. Sein strenger Geruch hatte noch länger im Garten gehangen.
    Geruch! Thea stand auf und sah sich um. Lag da ein schwacher, beinahe unmerklicher Duft von Parfüm in der Luft? Einer, der typisch war nach einer Mahlzeit beim Chinesen oder nach einem Toilettenbesuch. Kölnisch Wasser oder so? Er übertönte sogar den Geruch der Myrte.
    Doch niemand war da. Sie schnupperte noch eine Weile, dann war das Phänomen verschwunden. Trotzdem war ihr, als stimmte etwas nicht. Sie wurde nervös und versuchte, sich zu beruhigen.
    Da war ein Geräusch. Es kam aus dem Haus. Natürlich, alles war offen. Doch wer sollte sie um diese Zeit schon besuchen? Außer, einer ihrer Gäste hatte etwas vergessen.
    Ein wuchtiger Schatten trat aus dem Dunkel auf sie zu.
    Thea fuhr zusammen. Der Tätowierte?
    Sie wusste, dass es keine Einbildung war.
    Hing die Erscheinung mit dem Duft zusammen?
    »Hallo, Thea, stör ich?«
    Nein, das war nicht seine Stimme. Theas Augen suchten das Dunkel und den Schatten zu durchdringen.
    »Hast du plötzlich Angst vor mir?«
    Nun erkannte sie die Stimme. Nervös lachte sie auf. »Nein, Angst, wieso?«
    Anton!
    »Aber was willst du hier?«
    »Was werd ich wohl wollen, mein Täubchen? Zu dir will ich. Und du zu mir. Komm her! Jetzt! Auf der Stelle! Ich will dich ficken!«
    Jetzt sah sie, dass er die Arme ausbreitete und schwankend auf sie zukam.
    Anton Scheiberl. Er war betrunken. Betrunkener noch als beim Verlassen des Festes. Sie überkam ein ungutes Gefühl. Freilich, ab und zu überließ sie ihm ihren Körper, wenn sie bei ihm war und ihn behandelte. Doch er war noch nie in ihrem eigenen Bett gelandet.
    Sie wich zurück.
    Und stolperte.
    Rückwärts stürzte sie, in der Luft nach Halt ringend, über den Kessel mit der Myrte. Doch eine Basketballspielerin ist im Fallen geübt. Bevor Scheiberl nach ihr tapsen konnte, stand sie schon wieder auf den Beinen. Sie griff zur Seite nach dem Lichtschalter. Hell flammte die Terrassenbeleuchtung auf.
    »Hau ab, Anton«, rief sie mit gedämpfter Stimme. »Jetzt ist weder die Zeit noch der Ort für solche Spielchen. Schwing dich auf dein Fahrrad und fahr wieder heim.«
    Er kniff die Augen zusammen und hielt einen Arm schützend vor sich. Am Mittelfinger blitzte ein schmaler Saphirring. Sein Mund verzog sich zu einem hässlichen Grinsen.
    »Fahrrad? Ich bin mit dem Auto da. Hast du mich nicht kommen hören? Hehehehehe. Einen Achtzylinder hörst du nicht. Der flüstert nur. Komm her, mein Täubchen, flüstre mir was Schönes ins Ohr.«
    Mit dem Auto da. Die Todsünde schlechthin in Kirchwies.
    Noch
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