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Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Titel: Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht
Autoren: Sue Grafton
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Der Punkt ist, daß sie nicht in der Nähe anderer Menschen leben wollte. Sie mochte das Gefühl, im Wald zu sein. Das Grundstück war gar nicht so groß... ein paar tausend Quadratmeter, und von der Rückseite führte ein schmaler, zweispuriger Kiesweg hin. Ich glaube, es gab ihr ein Gefühl von Abgeschiedenheit und Ruhe. Sie wollte nicht in einem Apartmenthaus leben, von allen Seiten umringt von anderen Mietern, die rumpeln und poltern und laute Musik laufen lassen. Sie war nicht freundlich. Lorna wollte nicht einmal im Vorübergehen grüßen. So war sie einfach. Sie zog in diese Hütte und blieb dort.«
    »Sie haben gesagt, sie sei in der Hütte gefunden worden. Nimmt die Polizei an, daß sie dort auch umgekommen ist?«
    »Ich glaube schon. Wie gesagt, sie wurde geraume Zeit nicht gefunden. Fast zwei Wochen, vermuten sie, nach dem Zustand zu urteilen, in dem sie sich befand. Ich hatte nichts von ihr gehört, mir aber nichts dabei gedacht. Ich hatte sie an einem Donnerstagabend gesprochen, und sie hatte mir erzählt, daß sie wegführe. Ich nahm an, sie meinte noch am selben Abend, aber direkt gesagt hat sie das nicht, zumindest nicht, soweit ich es noch weiß. Wenn Sie sich erinnern, letztes Jahr kam der Frühling spät, und der Pollenflug war stark, was bedeutete, daß ihre Allergien ausbrachen. Jedenfalls rief sie an und sagte, sie werde die Stadt für zwei Wochen verlassen. Sie hatte sich frei genommen und sagte, sie wolle in die Berge fahren und sehen, ob noch Schnee läge. Die Skigebiete waren ihr einziger Zufluchtsort, wenn sie unter den Allergien litt. Sie sagte, sie würde sich melden, wenn sie wieder da wäre, und das war das letzte Mal, daß ich mit ihr gesprochen habe.«
    Ich hatte begonnen, mir Notizen zu machen. »An welchem Tag war das?«
    »Am neunzehnten April. Die Leiche wurde am fünften Mai entdeckt.«
    »Wohin wollte sie? Hat sie Ihnen den Ort genannt?«
    »Sie hat von den Bergen gesprochen, aber sie hat nicht genau gesagt, wo. Glauben Sie, daß das wichtig ist?«
    »Ich bin nur neugierig«, antwortete ich. »April ist schon recht spät für Schnee. Es hätte eine Ausflucht dafür sein können, daß sie woandershin wollte. Hatten Sie den Eindruck, daß sie etwas verbarg?«
    »Oh, Lorna ist nicht der Typ, der einem Einzelheiten anver-traute. Wenn meine anderen zwei in Urlaub fahren, sitzen wir alle da und brüten über Reisekatalogen und Hotelprospekten. Wie zur Zeit, wo Berlyn sich das Geld für einen Urlaub zusammengespart hat und wir andauernd die eine Reise gegen die andere abwägen und oh und ah sagen. In meinen Augen ist die Vorfreude schon das halbe Vergnügen. Lorna hat immer gesagt, damit würde man nur eine Menge Erwartungen aufbauen, und die Wirklichkeit wäre dann enttäuschend. Sie hat nichts so gesehen wie andere Leute. Jedenfalls, als ich nichts von ihr gehört habe, nahm ich an, daß sie verreist ist. Sie war sowieso nicht der Typ, der oft anruft, und von uns hatte niemand einen Grund, zu ihrer Wohnung zu gehen, wenn sie nicht da war.« Verlegen stockte sie. »Ich weiß genau, daß ich mich schuldig fühle. Hören Sie sich bloß an, wie viele Erklärungen ich hier abgebe. Ich will einfach nicht, daß es so aussieht, als hätte ich mich nicht um sie gekümmert.«
    »Es hört sich nicht so an.«
    »Das ist gut, denn ich habe dieses Kind mehr geliebt als das Leben.« Fast reflexartig wallten Tränen in ihren Augen auf, und ich sah, wie sie sie durch Blinzeln zurückdrängen wollte. »Jedenfalls war es jemand, für den sie gearbeitet hat, der schließlich dorthin ging.«
    »Wer war das?«
    »Oh. Serena Bonney.«
    Ich blickte auf meine Notizen. »Das ist die Krankenschwester?«
    »Genau.«
    »Was hat Lorna für sie gearbeitet?«
    »Lorna ist zu ihr ins Haus gekommen und hat Mrs. Bonneys alten Vater versorgt. Soweit ich weiß, ging es dem alten Herrn gesundheitlich nicht gut, und Mrs. Bonney wollte ihn nicht allein lassen. Ich glaube, sie wollte Reisevorbereitungen treffen und sich mit Lorna besprechen, bevor sie etwas buchte. Lorna hatte keinen Anrufbeantworter. Mrs. Bonney rief mehrmals an und beschloß dann, an Lornas Haustür einen Zettel zu hinterlassen. Als sie zur Hütte kam, merkte sie, daß etwas nicht stimmte.« Janice unterbrach sich, nicht weil die Gefühle sie übermannt hätten, sondern aufgrund der unangenehmen Bilder, die sich zwangsläufig einstellten. Nachdem sie zwei Wochen lang nicht entdeckt worden war, mußte die Leiche in äußerst schlimmem Zustand gewesen
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