Kindsköpfe: Roman (German Edition)
Biofuzzis mochten die leckersten Kartoffeln haben, aber ihr Champagner wirkte nicht mal für eine Stunde. Er wandte sich zu Mattis um, der ihn gefahren hatte.
»Was soll ich hier? Ich hab nicht mal Geld für ein Geschenk dabei.«
Mattis zog einen 50-Euro-Schein aus seinem Jackett. »Kauf ihm ein paar Rosen.«
Niklas schnappte nach dem Geld. »Ihr Heten seid so kitschig!«
»Ich will dich morgen nicht im Büro sehen.«
»Und wer kümmert sich um die Kinder?«
»Die haben sicher nichts dagegen, über Nacht bei deiner Mutter zu bleiben.«
»Und Fidel?«
»Hat er eine eigene Faltencreme, oder darf er deine benutzen?«
»Du bist herzlos, und Humor hast du auch keinen! Warum sind wir eigentlich befreundet?«
»Viel Glück!«
Dann stand er wieder mal allein in der großen ungeliebten Stadt. Am liebsten wäre er Mattis nachgelaufen, aber sein alter Freund war längst um die Ecke gebogen. Niklas schaute sich nach einem Schreibwarenladen um. Er würde Oliver eine Karte schreiben, bei Eva einwerfen und dann nach Hause fahren. Aber hier gab es keine Geschäfte, nur eine Trinkhalle. Drei Männer mittleren Alters standen um einen Plastiktisch und zuzzelten in der Sonne ihr Kölsch. Niklas ging langsam in Richtung Wohnung und überlegte, was er sagen sollte, falls Oliver öffnete. Was, wenn er Besuch hatte? Vielleicht war das die Lösung. Dann konnte man gar nicht vernünftig reden, zwischen all den Leuten, und Niklas würde einfach wieder fahren. Ja, das schien ihm das Allerbeste.
Die Haustür war angelehnt, und als er über die Schwelle trat, begann sein Herz zu rasen. Im dunklen Flur roch es modrig. Seine Schritte wurden langsamer, bis er am Treppenabsatz ganz stehen blieb. Er zählte die Stufen, die vor ihm lagen, und als er sie mit der Anzahl der Stockwerke multiplizierte, hörte er plötzlich Stimmen. Erschrocken sah sich Niklas um und versteckte sich im Kellereingang. Als sich die Stimmen näherten, erkannte er Oliver. Er redete mit einem Mann. Niklas hielt den Atem an.
Als die beiden im Flur angekommen waren, lugte er vorsichtig um die Ecke. Oliver trug eine maisgelbe Baseballkappe, die Niklas noch nicht kannte, ansonsten hatte er sich nicht verändert. Seine Begleitung war groß und wirkte athletisch. Auf die Entfernung jedenfalls war er nicht unattraktiv. Sie hatten einen Kinderwagen die Stufen hinabgetragen und steuerten mit ihm nach draußen.
»Hast du die Schlüssel?«, fragte Oliver.
»Du hast sie eingesteckt«, entgegnete der andere.
Niklas fürchtete schon, sie würden zurückkommen und ihn entdecken, aber da fand Oliver die Schlüssel in der Innentasche seiner Jacke. Lachend hielt er die Tür auf, und der andere schob den Kinderwagen hinaus. Dann waren sie fort.
Niklas harrte weiter auf der dunklen Kellertreppe aus. Er hatte überhaupt keine Lust, sein Versteck jemals wieder zu verlassen, und nahm auf einer Stufe Platz. Warum nur war er hierher gekommen? Den Anblick seines Nachfolgers hätte er sich sparen können. Was hatte er auch erwartet? Dass sich Oliver nach ihm verzehrte, all die Monate, und jeden Abend eine Kerze ins Fenster stellte, auf dass Niklas schneller zu ihm zurückfände?
Andererseits war es gut so. Nun wusste er, woran er war. Irgendwann kam nun mal die Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen. Wie hatte Mattis’ bärtiger Freund Hartwig gesagt: Man muss sein Leben vorwärts leben, verstehen war nur rückwärts möglich? Oliver hatte sich nie wohlgefühlt in Düsseldorf, Niklas verabscheute Köln. Der eine liebte den Karneval, den der andere abschätzig Fasching nannte. Beim Grand Prix gefielen Oliver die immergleichen schwedischen Beiträge, während Niklas jedes Jahr für eine melancholische Ballade vom Balkan stimmte. So klar wie heute hatte er die Sache noch nie gesehen: Sie passten überhaupt nicht zusammen!
Niklas verließ sein Versteck und putzte sich die Hose ab. Er wollte nur schnell heim. Plötzlich war er froh, dass Lotte den Schweizer eingeladen hatte, und freute sich auf seinen Besuch. Doch gerade als er das Haus verlassen wollte, stieß ihm jemand, der hineinwollte, die Tür vor den Kopf.
»Au!« Niklas fluchte und hielt sich die Nase.
»O Gott, tut mir leid, ich habe dich nicht … « Eva stellte ihre Einkaufstüten ab und betrachtete ihr Opfer sorgenvoll.
»Niklas? Ich hätte dich fast nicht erkannt mit den Haaren! Bist du okay?«
»Danke, geht schon. War schön dich zu sehen.«
»Deine Nase blutet ja!«
Eva bestand darauf, ihn in der Wohnung zu verarzten, wo
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