Kindsköpfe: Roman (German Edition)
hatte. Niklas musste den erschöpften Jungen ins Bett bringen und aß mit Lotte allein zu Abend.
Die nutzte die Gelegenheit für eine kleine Fragestunde. Sie hatte im Internet gelesen, dass der Mops ursprünglich aus China käme, und sorgte sich nun, dass er sie vielleicht gar nicht verstünde.
»Keine Sorge, Fidel ist ein intelligenter Hund, auch wenn er das ganz gut verbergen kann.«
»Wo liegt China?«
»Ziemlich weit weg.«
»Und die Schweiz?«
Es verschlug Niklas den Atem, wie das Kind scheinbar unschuldig das Gespräch lenkte. Aber er mochte nicht über die Sache mit Ludger reden. Er ärgerte sich immer noch, dass er vergessen hatte, seine Flirtseite zu sperren.
»Die auch.«
Lotte dachte nach und knetete ihre Nase, die von der Wurzel bis zur Spitze in dieser Jahreszeit wieder dicht mit Sommersprossen besiedelt war. »So weit wie China?«
»Ganz so schlimm nicht.«
»Wie Mettmann?«
»Jetzt wird nicht geratscht! Das Essen wird kalt.«
Lotte stocherte eine Weile gedankenverloren in ihren Nudeln herum.
»Magst du den Oli nicht mehr?«
Niklas ließ sein Besteck sinken. »Die Frage ist, ob er mich noch mag.«
Er zuckte mit den Schultern, und die Kleine tat es ihm nach.
»Maki sagt, das mit Männern geht nicht auf Dauer.«
Niklas wischte sich den Mund ab und starrte auf seinen halbvollen Teller.
»Vielleicht hat sie recht.«
Da spürte er Lottes kleine Hand auf seinem Unterarm.
»Du musst den Kopf hoch halten! Sonst plumpsen all die bösen Gedanken nach vorne!«
Am Mittwochnachmittag führte Mattis die beiden Vertreter der Biomarktkette in den Konferenzsaal. Niklas lief zum Fenster, um den Raum abzudunkeln. Am nahezu wolkenfreien Himmel hing ein Drachen, wie festgenagelt. Niklas fragte sich, ob es dafür eines besonders starken oder eher eines schwachen Windes bedurfte. Er entschied sich für die starke Variante, aber ohne allzu viele Schwankungen: In jedem Fall war eine entschlossene Richtung vonnöten.
»Niklas, wir sind so weit«, rief Mattis.
Voller Scham dachte Niklas daran zurück, wie er über eine Stunde mit Hannes über dem Baukasten zubringen konnte, ohne dass am Ende auch nur eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Drachen zu erkennen gewesen wäre, von einer Fledermaus ganz zu schweigen. Mattis hatte die Sache am Montag in seiner Kaffeepause erledigt.
»Alter, die Kunden warten«, flüsterte Mattis, der plötzlich neben ihm stand und ihn anstupste. Dann zog er die Vorhänge zu und löschte das Licht.
Die Kunden – zwei Jungunternehmer, die aussahen, als hätten sie gerade vorzeitig die Schule beendet – saßen gespannt in ihren Stühlen. Für einen Moment war nur Fidels Schnaufen zu hören, dann riss sich Niklas zusammen und projizierte den ersten Entwurf für eine Plakat-Kampagne an die Wand.
Die von Mattis gezeichnete Graphik war zweigeteilt: Die linke zeigte einen Bauern, der mit einem Chemie-Tank übers Feld fuhr und mit gleichgültiger Miene seine Pflanzen bespritzte. Zur Rechten stand ein rosarundes Schwein in einem weitläufigen Stall und grunzte zufrieden die Sonne an.
Darunter war zu lesen: Hier sehen Sie zwei Öko-Schweine: Erkennen Sie den Unterschied?
Ein anderer Entwurf zeigte einen Bauern in einem Chemielabor, der in Reagenzgläsern Kartoffeln züchtete, die so groß waren, dass ein Glas nach dem anderen zerbarst. Die dümmsten Bauern mögen die dicksten Kartoffeln haben, aber unsere schmecken besser , lautete die Bildüberschrift.
Die Bio-Unternehmer waren von den Ideen sehr angetan und spendeten am Ende der Präsentation Applaus. Mattis ließ das Tageslicht wieder hinein und öffnete ein Fenster. Niklas schlug vor, das Geschäft mit dem Bio-Champagner zu begießen, den die Kunden mitgebracht hatten, und lief in die Küche. Als er nach zehn Minuten nicht zurück war, ging Mattis ihn suchen.
Niklas saß mit abwesendem Blick auf dem Küchenboden und streichelte Fidel, der in seinem Schoß lag, Falte für Falte. Neben ihm stand die offene Flasche Champagner.
»Von alleine Saufen war nicht die Rede!«
»Weißt du, was heute für ein Tag ist?«
Mattis zuckte mit den Schultern. »Mittwoch?«
»Er wird heute vierzig.« Er trank einen Schluck aus der Flasche, und der Champagner rann aus seinen Mundwinkeln.
»Der Hund?«
Niklas schüttelte mechanisch den Kopf.
»Und was machst du dann noch hier?«
»Arbeiten«, sagte Niklas und bekam einen Schluckauf.
Als Niklas in sicherer Entfernung von Evas Wohnung aus dem Auto stieg, war er schon wieder nüchtern. Diese
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