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Kinderseelen Verstehen

Kinderseelen Verstehen

Titel: Kinderseelen Verstehen
Autoren: Armin Krenz
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eine Straße im Gehirn anlegen und in vergleichbaren Erlebnissituationen einen Aktualisierungswert provozieren. Das bedeutet: Wenn der Mensch Situationen ausgesetzt war, die das Gehirn als »bedeutsam« eingestuft hat, dann speichert er dieses Ereignis als Bild mit all den dazugehörigen Informationen und Gegebenheiten ab, die dabei als »wichtig« klassifiziert werden. Dieses Bild brennt sich im menschlichen Gehirn wie eine Datei auf einer Computerfestplatte ein, die nicht ohne Weiteres gelöscht werden kann. Die Aussage »Zeit heilt alle Wunden« ist daher falsch. Es kann sein, dass seelische Irritationen oder Verletzungen mit der Zeit etwas verblassen und im Alltagsgeschehen durch die ungezählten neuen Lebenserfahrungen in den Hintergrund gedrängt werden, doch eine Verdrängung im Sinne einer Überlagerung durch neue Lebenseindrücke bedeutet nie, dass entsprechende Erfahrungen »ausgelöscht« werden, so als wären sie nie existent gewesen.

    Geschieht es nun, dass sich eine ähnliche Erfahrung wiederholt, werden die in der Vergangenheit erlebten Gefühle und abgespeicherten Bilder erneut aktiviert, sodass das menschliche Gehirn die zurückliegenden Erlebnisse und Erfahrungen mit den derzeitigen Wahrnehmungen und Emotionen gleichsetzt. Nach dem Motto: »Das kennst du! Das ist dir bekannt. Das hast du schon einmal erlebt. Du weißt schon jetzt, wie es ausgehen wird.« Dem Menschen kommt es zum aktuellen Zeitpunkt so vor, als wäre es eine Art Wiederholung des damaligen Geschehens. Gleiche Empfindungen, gleiche Einschätzungen dieser Situation und gleiche Reaktionsmuster machen sich in Bruchteilen von Sekunden breit. Vergangenheit wird zur Gegenwart und die erlebte Gegenwart scheint der Vergangenheit zu entsprechen. Die beiden Zeitdimensionen scheinen zu verschmelzen und zu einer Zeitebene zu werden. Dabei werden gleiche oder sehr ähnliche Gefühlsempfindungen erlebt.

    Gefühle sind ein zu uns Menschen gehörender lebensnotwendiger Teil unseres Daseins. Alle Wahrnehmungen und Beobachtungen, die der Mensch – sowohl bewusst als auch unterbewusst – registriert, sind stets mit Gefühlen verbunden. Sie entstehen dadurch, dass die in der Vergangenheit bedeutsamen Erfahrungen stets mit Freude, Trauer, Angst oder Ärger verbunden waren. Beispielsweise weinen Babys häufig aus einem Angsterleben heraus, weil sie sich verlassen fühlen und voller Sorge stecken, ob ihre Bindungspartner in ihrer Nähe sind und zu ihnen kommen können, wenn sie gebraucht werden. Kleine Kinder weinen häufig aus der Angst heraus, zu kurz zu kommen, übersehen zu werden, keine bedeutsame Rolle zu spielen, oder sie ärgern sich, weil sie bestimmte Vorhaben nicht umsetzen können/dürfen. Kinder weinen beispielsweise, wenn sie etwas Wichtiges – ihre Lieblingspuppe, ihren Lieblingsteddybären, ihr Lieblingsauto ... – verloren haben und nicht wiederfinden. Da kann für Kinder eine ganze Welt zusammenbrechen. Sie trauern über diesen Verlust und haben gleichzeitig Angst, diese ihnen ans Herz gewachsenen Gegenstände – gewissermaßen ein fester Bestandteil ihrer eigenen Person – vielleicht nie mehr wiederzufinden und in Händen halten zu können. Kinder tanzen vor Freude, wenn ihnen etwas besonders gut gelungen ist. Sie schreien ihre Freude aus voller Kehle heraus und berichten von ihren Erfolgen, als würde der Grad der Lautstärke die Intensität des Erlebten widerspiegeln.
    Immer sind in der menschlichen Reaktion Gefühle enthalten, sodass es kein »objektives, emotionsfreies und rein kognitiv gesteuertes Spontanverhalten« gibt, wie es lange in der Psychologie angenommen wurde, bis uns die Hirnforschung das Gegenteil belegt hat (vgl. zum Beispiel Hüther 2005; Dornes 2000; von Salisch 2002; Spitzer 2003; Goleman 2007).
    Wichtig: Alle vier Grundgefühle sind miteinander vernetzt und dennoch autark. Ist ein Grundgefühl besonders stark aktiviert, sind die anderen Emotionsfelder zum gleichen Zeitpunkt kaum bzw. gar nicht am Wahrnehmungsprozess beteiligt. So steht allein das provozierte Primärgefühl im Fokus des Erlebens und Bewertens, wie der Mensch die aktuelle Situation für sich bewertet.

    Damit ist es möglich, die Unabhängigkeit der Grundgefühle und gleichzeitig ihre Vernetzung im Sinne einer gedanklichen Bildvorstellung zu erfassen. Jedes Grundgefühl bildet ein eigenes Feld, das sich je nach der Intensität des jeweiligen Gefühlserlebens füllt und damit den anderen Gefühlsfeldern ihre Intensität nimmt. Ist also das Feld
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